Reaktionen auf SPD-Drama:Merkel attackiert SPD

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Nach dem überraschenden Wechsel in der Führungsriege der Sozialdemokraten hat sich jetzt auch Kanzlerin Angela Merkel zu Wort gemeldet - und in Frage gestellt, ob die Ereignisse vom Wochenende "der Würde einer Volkspartei" entsprechen. Auch von anderen Unionspolitikern kommen harsche Töne.

Die Union hat auf das sich heftig drehende Personalkarussell bei den Sozialdemokraten mit Warnungen und Kritik reagiert: Führende Außenpolitiker der Union forderten bereits kurz nach Bekanntwerden der SPD-Entscheidung zur Kanzlerkandidatur Frank-Walter Steinmeiers, dieser dürfe deswegen nun sein Regierungsamt nicht vernachlässigen.

Nicht zimperlich in seiner Wortwahl zur SPD: Niedersachsen-CDU-Chef Christian Wulff. (Foto: Foto: dpa)

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Steinmeier zur Nominierung als Kanzlerkandidat der SPD gratuliert. Die Umstände seiner Ernennung jedoch kritisierte sie am Montag in München. Diese seien "der Würde einer Volkspartei eigentlich nicht entsprechend", sagte sie am Rande einer Veranstaltung des Goethe-Instituts. Dies deute auf eine "tiefe Zerrissenheit" der Sozialdemokraten hin. Sie hoffe, dass diese überwunden werden könne. Die Union werde weiter die Kraft der Stabilität und der Mitte sein, betonte Merkel.

Über Vizekanzler Steinmeier sagte Merkel, sie werde weiter in der Regierung mit ihm zusammenarbeiten. Zugleich freue sie sich auf einen spannenden Wahlkampf im nächsten Jahr. Auch auf die Zusammenarbeit mit dem designierten SPD-Chef Franz Müntefering freue sie sich. "Wir kennen uns ja inzwischen recht gut." Zugleich dankte sie dem zurückgetretenen SPD-Vorsitzenden Kurt Beck für dessen "zuverlässige Arbeit" und wünschte ihm für die Zukunft alles Gute.

Weniger versöhnlich zeigte sich Christian Wulff: "Die SPD-Vorsitzenden scheitern nicht an sich, sondern an den vollkommen ungelösten Konflikten in inhaltlichen und strategischen Fragen. Die Solidarität ist aus der Partei entflohen und durch Egotrips Einzelner und Illoyalitäten ersetzt worden", sagte der CDU-Bundes-Vize.

"Zeit des Wegduckens ist vorbei"

Beck sei nicht nur während seiner Erkrankung vor einigen Monaten von der Partei im Regen stehengelassen worden. "Die Zeit des Wegduckens ist nun für Steinmeier vorbei."

Ähnlich äußerte sich Ronald Pofalla. Steinmeier habe bislang in den innerparteilichen Diskussionen "laut geschwiegen". Nun müsse er deutlich machen, "welchen Kurs er fährt", sagte der CDU-Generalsekretär im Anschluss an eine außerplanmäßige Telefonkonferenz des CDU-Präsidiums.

Steinmeier müsse jetzt die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti in ihrem Werben um eine rot-rote Zusammenarbeit stoppen. Dies sei "der erste große Lackmustest" für Steinmeier. Seine Glaubwürdigkeit hänge von dieser Frage ab, nachdem er sich in der Vergangenheit gegen eine solche Kooperation ausgesprochen habe.

Die geplante Rückkehr Münteferings an die SPD-Spitze begrüßte Pofalla. Die CDU schätze Müntefering als verlässlichen Partner, sagte er. Insofern sehe er der künftigen Zusammenarbeit eigentlich "froh gestimmt" entgegen. Nach seinen Worten muss jedoch erst noch klarwerden, ob die neuen Gesichter zu einem Kurs führten oder ob der "Wackelkurs" der SPD fortgesetzt werde.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Eckart von Klaeden, sagte Spiegel Online: "Angesichts der internationalen Entwicklung ist der Zeitpunkt der Entscheidung schwierig. Denn Deutschland braucht einen Außenminister, der sich zu hundert Prozent seiner Aufgabe widmet."

Union verlangt klare Position zur Linken

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), sagte, gerade in der Kaukasus-Krise sei eine gute Abstimmung zwischen Bundeskanzlerin und Außenminister außerordentlich wichtig.

CSU-Chef Erwin Huber verlangte von Steinmeier einen Kurswechsel: "Wenn Steinmeier sich jetzt zum Kanzlerkandidaten küren lässt, muss er als Erstes die geplante Zusammenarbeit der SPD mit der Linkspartei in Hessen verhindern", sagte er der Bild am Sonntag.

CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer sagte Spiegel Online, "die tiefe inhaltliche Zerrissenheit" der SPD werde nur verstärkt. Steinmeier sei "der Macher der Agenda 2010, das wird ihm der linke Parteiflügel auch als Kanzlerkandidat nicht verzeihen."

Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein forderte von der neuen SPD-Führung eine klare Distanzierung von der Linkspartei. Das entscheidende Problem der SPD sei ihr ungeklärtes Verhältnis zu den Linken. "Das wird auch durch ein neues Gesicht nicht anders", sagte Beckstein und forderte "eine eindeutige Positionierung, dass eine Koalition mit der Linkspartei nicht möglich ist". Wenn Steinmeier glaubwürdig sein wolle, müsse er Gesine Schwan zurückziehen, weil sie als SPD-Kandidatin bei der Wahl des Bundespräsidenten von den Stimmen der Linken abhängig sei.

Die Union fordert nach dem Wechsel in der SPD-Führung außerdem ein klares Bekenntnis des Regierungspartners zur Fortsetzung der großen Koalition. Der am Vortag zum Kanzlerkandidaten und damit zum direkten Rivalen von Bundeskanzlerin Merkel gekürte Außenminister Steinmeier müsse nun beweisen, dass ihm am Erfolg des Regierungsbündnisses liege, sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder am Montag im ZDF.

Die direkte Konkurrenz zwischen Vizekanzler und Bundeskanzlerin bei der nächsten Wahl sei eine "schwierige Situation" für das Regierungsbündnis. Es komme nun darauf an, dass sich Steinmeier weiter als Teil der Regierung verstehe, forderte Kauder. Zudem müsse die SPD die Chance nutzen und ihr Verhältnis zur Linkspartei klären.

Grüne begrüßen den Wechsel

Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck wertete die Äußerungen aus der Union als "scheinheilig". Er verwies auf die Doppelfunktion von Angela Merkel als Bundeskanzlerin und CDU-Chefin. "Angesichts der internationalen Entwicklung, des beginnenden wirtschaftlichen Abschwungs und den Herausforderungen des Klimawandels bräuchte man eine Kanzlerin, die sich hundertprozentig dieser Aufgabe widmet. Die Führung einer Partei und eine Kanzlerkandidatur lenken von den Regierungsgeschäften ab", erklärte dazu Beck und schlug vor, Merkel solle eines ihrer Ämter aufgeben.

Die SPD riefen die Grünen zu Geschlossenheit und einem deutlichen Modernisierungskurs auf und verwiesen auf ihre eigene wichtige Rolle als möglicher Koalitionspartner. "Wenn Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier auf Sieg setzt, muss er wissen: Kanzler wird er nur mit uns", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth zu Beginn einer zweitägigen Klausurtagung des Bundesvorstands von Bündnis 90/Die Grünen in Bamberg.

"Frei ist der Weg nur mit den Grünen", sagte auch die designierte Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Sie erwarte, "dass sich die SPD jetzt inhaltlich aufstellt". Es sei gut, dass "die SPD den gordischen Knoten, wenn auch mit einem aggressiven Schlag", durchschlagen habe. Die Machtfrage für 2009 sei damit wieder offen.

Die Entscheidungen für Steinmeier als Kanzlerkandidaten und Müntefering als designierten SPD-Vorsitzenden wertete sie positiv: "Beide sind gestandene Personen, die führen und komplizierte Sachverhalte zusammenbringen können." Kurt Beck sei auf Bundesebene nie angekommen.

© dpa/AFP/mel/bica/ssc/jtr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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