Reaktionen auf Saddam-Urteil:Bush: "Meilenstein" für die irakische Demokratie

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Gespaltene internationale Reaktionen auf das Todesurteil gegen Saddam Hussein: US-Präsident George W. Bush bewertet den Prozess als "bedeutende Leistung für Iraks junge Demokratie", Menschenrechtler halten ihn für "unfair".

Die USA, Großbritannien und Australien haben die Verurteilung des irakischen Ex-Präsidenten Saddam Hussein begrüßt. Hussein sei "jener legale Prozess zuteil geworden, den er anderen verweigert hat", sagte US-Präsident Bush auf dem Flughafen von Waco in Texas. Bei einem Wahlkampfauftritt im Staat Nebraska erklärte Bush: "Meine Entscheidung, Saddam Hussein zu entfernen, war richtig, denn die Welt ist deshalb in einem besseren Zustand", sagte er unter dem lauten Applaus seiner Anhänger.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Tony Snow, wies unterdessen jegliche Spekulation als "absolut verrückt" zurück, dass die Urteilsverkündung absichtlich zwei Tage vor der US-Kongresswahl angesetzt worden sei, um Bush Republikanern einen Vorteil zu verschaffen. Allerdings sollten sich die Wähler in den USA ermutigt von dem Urteil fühlen.

Die britische Außenministerin Margaret Beckett sagte: "Ich begrüße, dass Saddam Hussein und die anderen Angeklagten für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wurden." Dreieinhalb Jahre nach seinem Sturz durch die US-Armee war Saddam am Sonntag zum Tode durch den Strang verurteilt worden.

"Lektion für Verbrecher"

"Der ganze Prozess ist ein Zeichen demokratischer Hoffnung, und so sollte die Welt dies auch betrachten", sagte Australiens konservativer Premierminister John Howard am Montag in Canberra. Australien steht seit Beginn der US- Invasion im Irak fest an der Seite Washingtons und Londons und hat 1300 Soldaten im Irak.

Iraks Ministerpräsident Nuri al-Maliki nannte das Urteil gegen Saddam eine "Lektion für alle Verbrecher und Terroristen". Er sei sehr erstaunt gewesen, dass seine Regierung von mehreren Staaten aufgefordert worden sei, Saddam freizulassen, erklärte Al-Maliki. An die Adresse der Sympathisanten Saddams sagte der Regierungschef: "Die Herrschaft Saddams und seiner Partei gehören nun endgültig der Vergangenheit an."

Kritik äußerten Menschenrechtsorganisationen und der Vatikan. Amnesty International nannte den Prozess "unfair". Das Todesurteil zeige, dass noch immer die Logik des "Auge um Auge, Zahn um Zahn" herrsche, sagte in Rom Kardinal Renato Raffaele Martino, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden.

Die UN- Menschenrechtskommission appellierte an die irakischen Behörden, die Vollstreckung des Urteils auszusetzen. Die EU nahm das Urteil "zur Kenntnis". Die finnische Ratspräsidentschaft unterstrich jedoch, dass die EU die Todesstrafe ablehne. Ähnlich äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zugleich unterstrich sie die Notwendigkeit der gerichtlichen Aufarbeitung der Saddam-Ära.

Italiens Ministerpräsident Romano Prodi sagte: "So grausam ein Verbrechen auch ist, so wendet sich doch unsere Tradition und unsere Ethik vom Gedanken der Todesstrafe ab." In Bagdad waren nach der Urteilsverkündung Freudenschüsse zu hören.

In Saddams Heimatstadt Tikrit demonstrierten laut Augenzeugen trotz einer Ausgangssperre am Sonntag Hunderte seiner Anhänger gegen das Todesurteil. Bei einem Mörserangriff auf Wohnhäuser in dem vorwiegend von Sunniten bewohnten Bagdader Stadtteil Adhamija starben laut Augenzeugen mindestens 20 Menschen. Auch in Bagdad, in Mossul und Bakuba war in Erwartung des Urteils eine Ausgangssperre verhängt worden.

Das Sondertribunal für die Verbrechen des alten Regimes in Bagdad ordnete am Sonntag außerdem die Hinrichtung seines Halbbruders Barsan al-Tikriti und des ehemaligen Richters Awad al-Bandar an. Nach Angaben aus Justizkreisen werden alle Verurteilten Berufung gegen die Urteile einlegen, die mit "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" begründet wurden.

In Bagdad wurde erwartet, dass die Revision bereits am Montag eingeleitet werden würde. Beobachter hielten es jedoch für wenig wahrscheinlich, dass die Richter der Revision stattgeben und einen neuen Prozess anordnen würden.I n diesem Falle müssten Saddam, sein Halbbruder Al-Tikriti und Richter Al-Bandar spätestens 30 Tage, nachdem die Urteile rechtskräftig geworden sind, hingerichtet werden.

In dem ersten Prozess gegen Saddam und sieben Ex-Funktionäre seines Regimes ging es um den Tod von 148 angeblichen Verschwörern. Diese waren 1982 in der schiitischen Kleinstadt Dudschail nach einem fehlgeschlagenen Attentat auf Saddam hingerichtet worden.

Gegen Saddam läuft noch ein zweiter Prozess wegen Völkermordes an den Kurden. Es ist jedoch noch unklar, ob dieses Verfahren, in dem es um die Angriffe auf kurdische Dörfer im Nordirak in den Jahren 1987 und 1988 geht, vor einer Hinrichtung Saddams noch beendet werden kann.

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