Reaktionen auf Saarland-Wahl:Erfolg der Piraten beunruhigt etablierte Parteien

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Wahlnachlese in Saarbrücken und Berlin: Die Parteien beraten heute über die Konsequenzen aus der Wahl im Saarland. Vor allem das gute Abschneiden der Piraten fordert die anderen Parteien heraus. Die Neueinsteiger und die Linke empfehlen sich derweil als mögliche Bündnispartner für die neue Landesregierung. Doch CDU und SPD wollen davon nichts wissen.

Nach der Wahl im Saarland bringen sich Linke und Piraten als alternative Koalitionspartner ins Gespräch. Doch die SPD, die Nummer zwei in der bereits vorab verabredeten großen Koalition, will davon nichts wissen. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis ließ die Saar-CDU die zuvor ähnlich stark eingeschätzte SPD von Herausforderer Heiko Maas klar hinter sich. CDU und SPD hatten vor der Saar-Wahl angekündigt, im kleinsten deutschen Flächenland eine große Koalition bilden zu wollen - zur Not auch jeweils als Juniorpartner.

Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bekräftigte nach ihrem Wahlsieg, die SPD in einer großen Koalition als vollwertigen Partner zu akzeptieren. "Wir werden auf jeden Fall eine Koalition auf Augenhöhe sein - auch getragen von Respekt", sagte sie dem Saarländischen Rundfunk (SR). "Deswegen wird das sicherlich auch ein gutes Einvernehmen in dieser Koalition geben."

SPD-Landeschef Heiko Maas will nach eigenen Worten möglichst viele Forderungen seiner Partei aus den vergangenen Jahren durchsetzen. "Ohne uns wird gar nicht regiert werden können", sagte er am Morgen. Ein rot-rotes Bündnis hatte er bereits am Abend erneut ausgeschlossen. Mit der Linken sei die für das Saarland wichtige Haushaltskonsolidierung nicht zu machen, sagte Maas in den ARD-"Tagesthemen".

Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles schloss Gespräche ihrer Partei mit den Linken im Saarland aus. Sie sagte im Deutschlandfunk, dies wäre eine Täuschung der Wähler und verwies auf die Festlegung der SPD auf eine große Koalition mit der CDU. Zudem sei das Klima zwischen SPD und Linkspartei nicht vertrauensvoll, sagte Nahles. In der Linkspartei würden gegen die SPD gerichtete Töne angeschlagen. Auch ein künftiges Bündnis der SPD mit der Linken auf Bundesebene nannte sie abwegig. Nahles sieht in der geplanten Koalition unter Führung der CDU im Saarland allerdings eine große Herausforderung für ihre Partei.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, kritisierte die SPD scharf wegen ihrer Weigerung, die "rechnerisch mögliche linke Mehrheit im Saarland auch zur Regierungspraxis zu machen". Er sagte der Leipziger Volkszeitung: "Die SPD betreibt politischen Selbstmord. Wenn sie dabei bleibt, kann sie sich den Streit um die Kanzlerkandidatur ganz sparen."

Der Linke-Fraktionschef Oskar Lafontaine warb hingegen für ein rot-rot-grünes Bündnis. Auch wenn es eine Mehrheit für eine Koalition aus SPD und Linkspartei allein gebe, sollten die Grünen mit einbezogen werden, sagte Lafontaine. Das Wichtigste für ihn sei, dass die Linkspartei mitregieren und ihre Inhalte wie die Einführung einer Millionärssteuer umsetzen könne.

Im Wahlerfolg der Piraten sehen die Linken eine "echte Aufgabe", wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch der Onlineausgabe der Mitteldeutschen Zeitung sagte. Der Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Steffen Bockhahn, erklärte: "Mit über 16 Prozent kann man die Wahl durchaus als Erfolg bezeichnen." Die Piraten zeigten jedoch, dass es der Linkspartei nicht mehr ausreichend gelinge, das Protestpotenzial in der Gesellschaft an sich zu binden.

Die Piraten selbst empfehlen sich derweil als möglicher Koalitionspartner für die großen Parteien. Die Möglichkeit, an einer Landesregierung beteiligt zu werden, würde die Piratenpartei nicht ausschlagen, sagte Jan Niklas Fingerle vom Piraten-Landesvorstand in Saarbrücken. Das Argument, in der Opposition könne eine junge Partei besser lernen, ließ er nicht gelten. Natürlich hätten es sich die Piraten zum Ziel gesetzt, zu regieren, denn dadurch könnten sie Politik aktiv mitgestalten. Auf einen möglichen Koalitionspartner wollte sich Fingerle nicht festlegen.

Auch wenn es das Regierungsbündnis im Saarland nicht beeinflussen mag, so beschäftigt das gute Abschneiden der Piratenpartei bei der Landtagswahl doch die anderen Parteien. "Wenn gerade männliche Erstwähler in solchen Scharen zu einer solchen Partei rennen, die eine Kombination ist von speziellen Themen der Netzpolitik, von einem Ruf in Sachen Transparenz und Bürgerbeteiligung, auch von einem Protest, dann muss das allen Parteien zu denken geben", sagte der CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe im Deutschlandfunk. Seine Partei nehme das ernst.

Historisches Fiasko für die FDP

Die Grünen gehen als künftig kleinste Fraktion im saarländischen Landtag mit breiter Brust in die Opposition. "Wir sehen uns auch durchaus selbstbewusst als Oppositionsführung", sagte die Spitzenkandidatin Simone Peter vor der Sitzung des Bundesvorstands in Berlin. Ihre Partei musste um den Wiedereinzug zittern und erreichte fünf Prozent der Stimmen. Grünen-Chefin Claudia Roth nannte das Ergebnis "zittriger, als wir es uns gewünscht haben".

Die bundesweit ums Überleben kämpfende FDP erlitt an der Saar ein historisches Fiasko und flog mit weniger als zwei Prozent aus dem Landtag. Auch in Schleswig-Holstein (6. Mai) und Nordrhein-Westfalen (13. Mai) drohen den Liberalen bittere Wahlniederlagen. Dort sei die Lage für die FDP aber anders als an der Saar, sagte der FDP-Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki der Leipziger Volkszeitung. Mit ihm und Christian Lindner in NRW als Spitzenkandidaten "kann der FDP-Bundesvorsitzende Philipp Rösler beruhigt sein, weil wir ihm versprochen haben: Wir gewinnen unsere Wahlen." Kubicki, warnte die Union davor, Verrat am Bündnispartner zum Prinzip zu machen: "Die Union sollte nicht die Gunst der Stunde nutzen und sich aus einer laufenden Koalition durch Verrat verabschieden."

FDP-Chef Philipp Rösler will auch nach dem desaströsen 1,2-Prozent-Ergebnis ian seinem Kurs festhalten. "Wir befinden uns in einer sehr schwierigen Lage als FDP. Das ist unbestritten", sagte er in Berlin. Mit dem Fokus auf Wachstum und Schuldenabbau gebe es aber gute Chancen bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. In der Koalition auf Bundesebene mit der Union sollte Ruhe bewahrt werden. Die FDP müsse ihre Politik sachorientiert durchsetzen, "nicht hektisch oder gar panisch" werden. Rösler bedauerte, dass die besser werdenden Umfragen keine Stimmen im Saarland gebracht hätten. Er sei trotz der schlechten Resultate gerne FDP-Chef und mit sich im Reinen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht ihre schwarz-gelbe Koalition durch die Schlappe der FDP nicht gefährdet. "Wer sich mit den Details des Saarlandes befasst hat, weiß dass das Saarland das Saarland ist. Wir arbeiten in Berlin gut zusammen", sagte Merkel in Berlin. Es gebe keinerlei Parallelen zwischen der Situation an der Saar und in Berlin. Merkel bescheinigte Kramp-Karrenbauer Mut, die schwarz-gelb-grüne Koalition im Januar wegen der internen Differenzen der FDP aufgekündigt zu haben. Anfänglich hätten die Umfragewerte für die CDU nicht so gut ausgesehen, dann habe sie mit einem deutlichen Vorsprung gewonnen: "Wir haben gesehen, dass kämpfen sich lohnt."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU im Bundestag, Peter Altmaier, warnte die FDP davor, auf Bundesebene die Konfrontation mit der Union zu suchen. Im Deutschlandradio Kultur sagte Altmaier, Union und FDP sollten jetzt die richtigen Schlüsse aus der Wahl im Saarland ziehen. "Einer dieser Schlüsse ist, dass die Menschen nicht wollen, dass wir streiten", sagte der CDU-Politiker. "Ich gehe davon aus, dass diese Koalition durch das Wahlergebnis nicht beeinträchtigt wird." Die FDP habe sich im Saarland "selbst zerlegt", meinte Altmaier.

© Süddeutsche.de/AFP/dapd/dpa/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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