Reaktionen auf das Tempolimit:Geld und gute Worte

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Ein Sponsor des Parteitages - der Autobauer BMW - hat besonders wenig übrig für die Tempolimitdee der SPD. Kritik kam auch vom ADAC - und von SPD-Vize Andrea Nahles, die gerne mal schnell fährt.

Der Autokonzern BMW, einer der Sponsoren des SPD-Bundesparteitags in Hamburg, hält das von den Sozialdemokraten beschlossene Tempolimit auf Autobahnen für keine Lösung der Klimaproblematik.

Noch langsamer als es der Bundesumweltminister wollte: Die SPD-Delegierten übertrumpften Sigmar Gabriel. (Foto: Foto: dpa)

"Nach unserem Wissen kann durch ein Limit von 130 Km/h die CO2-Emission lediglich um 0,4 Prozent reduziert werden", sagte BMW-Sprecher Daniel Kammerer am Samstag am Rande des Parteitages.

Schon jetzt gebe es nur noch 6000 Autobahnkilometer, auf denen es keine Tempobegrenzung gebe. 7000 Kilometer seien limitiert, auf 5000 Autobahnkilometern gebe es Steuerungssysteme, die je nach Verkehr Tempolimits anzeigen.

Auch der ADAC wies die Forderung der SPD zurück. "Weder aus Gründen der Verkehrssicherheit noch des Umweltschutzes macht ein solches Tempolimit Sinn", sagte ein ADAC-Sprecher am Samstag in München. Auf ihrem Parteitag in Hamburg hatten sich die Sozialdemokraten mit knapper Mehrheit für ein Tempolimit ausgesprochen.

Weniger Unfälle aus auf anderen Straßen

Dagegen sagte der ADAC-Sprecher: "Die deutschen Autobahnen sind die sichersten Verkehrswege." Gemessen am Verkehrsaufkommen ereigneten sich dort deutlich weniger Unfälle als auf anderen Straßen.

Zudem gebe es auf fast der Hälfte der Autobahnen ohnehin variable Geschwindigkeitsbegrenzungen. Auf den übrigen Strecken verhindere schon der dichte Verkehr, dass die Autofahrer mit hoher Geschwindigkeit fahren könnten. Ein weiteres allgemeines Tempolimit falle deshalb unter Umwelt-Gesichtspunkten kaum ins Gewicht.

Die Grünen dagegen wollten das Vorhaben im Bundestag durchsetzen. "Wir sind gerne bereit, dem SPD-Parteitagsbeschluss im Bundestag zum Durchbruch zu verhelfen", sagte Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn der Bild am Sonntag laut Vorabbericht. Kuhn sagte, seine Partei begrüße die Entscheidung. "Denn eine ökologisch vernünftige Verkehrspolitik ist ohne Tempolimit nicht zu machen."

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hingegen zeigte kein Verständnis für den Beschluss ihrer Partei. Nahles sagte in einem Interview der Welt am Sonntag, sie "bedauere allerdings die Entscheidung zum Tempolimit. Wir haben auf den allermeisten Strecken ohnehin ein Tempolimit, und das ist auch richtig."

Sie selber liebe es, "auch schon mal eine Strecke für schnelle Fahrt zu nutzen". Notwendig seien "neue Techniken, neue Flotten und alternative Treibstoffe. Nicht neue Regeln. Aber der Parteitag hat es anders entschieden".

Die Forderung der SPD stößt auch in Bayern auf Widerstand. "Ein generelles Tempolimit ist nicht geboten und der falsche Weg", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Besser zur Steigerung der Verkehrssicherheit seien intelligente Verkehrsleitsysteme, die den Verkehrsfluss je nach Lage steuerten. "Dadurch ist auch dem Klimaschutz am besten gedient", erklärte Herrmann.

Der Bundesvorsitzende der Linken, Oskar Lafontaine, begrüßte den Beschluss des SPD-Parteitags zur Einführung von Tempo 130 auf Autobahnen. "Wer den CO2-Ausstoß von Autos reduzieren will, kommt um ein Tempolimit nicht herum", sagte Lafontaine. "Der SPD-Beschluss vollzieht nach, was die Linke im Bundestag schon gefordert hat", wird Lafontaine zitiert.

Delegierte übertrumpfen den Umweltminister

Die SPD hatte überraschend ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf den Autobahnen gefordert. Mit einem entsprechenden Passus verschärfte der Bundesparteitag der Sozialdemokraten am Samstag in Hamburg ein umweltpolitisches Papier von Minister Sigmar Gabriel und anderen Mitgliedern der Parteiführung.

Darin heißt es: "Ein schneller und unbürokratischer Weg zum Klimaschutz ist die Einführung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h." Mit dem Mehrheitsvotum für diese Forderung wich der Parteitag in einem wesentlichen Punkt vom Leitantrag zur Umweltpolitik ab, den zuvor Gabriel und der Thüringer SPD-Chef Christoph Matschie eingebracht hatten. Auch die Antragskommission der Partei hatte Ablehnung empfohlen.

Bisher war eine solche Höchstgeschwindigkeit vor allem von den Grünen gefordert worden. Allerdings hatte sich erst kürzlich auch SPD-Chef Kurt Beck dafür offen gezeigt, sofern das Tempolimit in ein Gesamtkonzept eingebettet werde.

Dagegen gilt Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee als strikter Gegner der Geschwindigkeitsbegrenzung. Gabriel hält das Tempolimit nach den Worten seines Sprechers für ein wichtiges Symbolthema. Vordringlich sei aber die Umrüstung der Fahrzeugflotte auf ausstoßärmere Fahrzeuge.

Der linke Flügel setzte noch in zwei anderen Punkten schärfere Formulierungen des anschließend mit großer Mehrheit verabschiedeten Umweltprogramms durch. Zum einen forderte der Parteitag auch den Wegfall der steuerlichen Besserstellung von Dienstwagen mit hohem Spritverbrauch.

Die denkbar knappe Mehrheit von 225 zu 223 Stimmen fand - ebenfalls gegen die Empfehlungen der Antragskommission - zudem noch die Forderung, fossile Kraftwerke nur noch mit Kraft-Wärme-Kopplung zu genehmigen.

"New Dea" gefordert

Ansonsten zielt das 23 Seiten umfassende SPD-Umweltprogramm auf einen "New Deal" von Wirtschaft, Ökologie und Beschäftigung ab. Der Klimawandel soll vor allem durch Steigerung der Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien in den nächsten zehn Jahren gestoppt werden. Klimaschutz sei auch ein Thema von Gerechtigkeit und internationaler Solidarität.

Mit einer klimafreundlichen Energiepolitik würden Jobs geschaffen und könnten die Menschen Geld sparen. Auf die Frage, ob die SPD mit dem Programm grüner geworden sei, sagte Gabriel nach den Abstimmungen: "Nein roter", denn Umweltschutz sei ein ursozialdemokratisches Thema.

© Gerhard Kneier, AP/dpa/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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