RAF-Debatte:Die CSU gegen den Rest der Welt

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Die Debatte um den Ex-RAF-Terroristen Klar ebbt auch nach der Entscheidung des Bundespräsidenten nicht ab. Vor allem die Angriffe der CSU sind den anderen Parteien ein Dorn im Auge. Im Zentrum der Kritik: Generalsekretär Markus Söder.

Die Debatte über das frühere RAF-Mitglied Christian Klar hält auch nach der Ablehnung von dessen Gnadengesuch durch Bundespräsident Horst Köhler an.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Köhler ein weiteres Mal gegen die Angriffe der CSU verteidigt und dem Staatsoberhaupt Rückendeckung gegeben.

Die CDU-Chefin habe sich in der Sitzung des CDU-Präsidiums noch einmal hinter den Präsidenten gestellt und dessen Treffen mit dem früheren RAF-Terroristen Christian Klar verteidigt, berichtet die Passauer Neue Presse.

Die Kanzlerin habe die Kritik aus den Reihen der CSU zurückgewiesen, berichtet das Blatt weiter. Die Äußerungen seien "nicht in Ordnung" und "zu viel" gewesen. Merkel habe die Gegner einer Begnadigung Klars gewarnt: Man dürfe jetzt "nicht in Triumphgeheul ausbrechen".

Politiker der anderen Parteien waren strenger in ihrer Beurteilung der Aussagen aus dem Lager der Union. Vor allem die Äußerungen des CSU-Generalsekretärs Markus Söder sorgten für Aufregung. Söder hatte von einer schweren Hypothek für Köhlers Wiederwahl gesprochen, hätte der Bundespräsident zugunsten des Häftlings entschieden.

"Schandfleck auf der Weste der Konservativen"

"Das war der unverhohlene Versuch, das Amt des Bundespräsidenten zu beschädigen", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, der Berliner Zeitung. Wiefelspütz begrüßte aber den Entschluss von Bundespräsident Horst Köhler, das Gnadengesuch abzulehnen. "Die Entscheidung des Bundespräsidenten ist zu respektieren", erklärte der SPD-Politiker. Köhler habe die schwierige Entscheidung mit großer Umsicht vorbereitet.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte, der "Versuch der Nötigung" des Bundespräsidenten durch die Beschimpfungen der CSU bleibe ein "Schandfleck auf der Weste der Konservativen".

Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) hält CSU-Generalsekretär Markus Söder wegen seiner Äußerungen für nicht mehr tragbar. "Wer seine Grenzen nicht mehr kennt, hat auch keine Legitimation mehr, Generalsekretär für seine Partei zu sein", sagte Kastner der Netzeitung. Sie verwies zur Begründung auf die "unsägliche Einmischung" Söders in die Angelegenheiten von Bundespräsident Horst Köhler.

Wenn der CSU-Politiker Söder die Wiederwahl Köhlers von dessen Entscheidung im Fall des früheren RAF-Terroristen Christian Klar abhängig mache, sei dies ein "unglaublicher Angriff" auf ein Verfassungsorgan. Kastner forderte die CSU auf, sich zu überlegen, "ob sie sich einen solchen Generalsekretär leisten kann".

Grünen-Vorsitzende Claudia Roth bescheinigte Söder eine "politische Verkommenheit, wie ich sie selten erlebt habe". Die Kontroverse habe den Bundespräsidenten als Person und auch das Amt massiv beschädigt. "Man kann doch nicht mit erpresserischen, mit nötigenden Begriffen eine Wiederwahl davon abhängig machen, wie er entscheidet", sagte Roth. Sie forderte den CSU-Generalsekretär zum Rücktritt auf: "Wenn es noch ein bisschen politischen Anstand bei der CSU gibt, dann müsste Söder zurücktreten oder müsste zurückgezogen werden."

Allerdings habe Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenfalls Mitschuld an der Beschädigung des Bundespräsidenten. "Frau Merkel hat mit dazu beigetragen, dass unser Präsident jetzt beschädigt ist", sagte Roth im Nachrichtensender N24. Die Kanzlerin "hat das ganz, ganz, ganz lange laufen lassen."

Gegen die Kritik an seiner Partei hat unterdessen Bayerns Innenminister Günther Beckstein Stellung bezogen und diese zurückgewiesen. Weder für Bürger noch für Mandatsträger gebe es ein Rede- oder Denkverbot, sagte Beckstein der Passauer Neuen Presse.

Viele hätten sich an der Diskussion beteiligt, "übrigens in die eine wie in die andere Richtung". Politiker von SPD, Grünen und FDP hatten der CSU vorgeworfen, durch Äußerungen vor der Entscheidung von Bundespräsident Horst Köhler dessen Amt beschädigt zu haben.

Beckstein bezeichnete es in der Münchner tz als wichtigen Teil der Verfassung, dass der Bundespräsident nicht in einer formalisierten Weise wie ein Verwaltungsorgan Entscheidungen zu treffen habe. "Zur Verfassungslage gehört aber nicht, dass man sich nicht zu Dingen äußern darf, über die der Bundespräsident vielleicht entscheiden könnte", betonte der CSU-Politiker.

"Bis dahin ist sehr viel Wasser die Isar und die Donau hinuntergeflossen"

Zu Drohungen aus der CSU, Köhler könne im Fall einer Begnadigung Klars die Zustimmung der Partei zu seiner Wiederwahl einbüßen, sagte Beckstein: "Ich selbst habe mich in dieser Weise nicht geäußert." Im Moment sei die Frage nach einer weiteren Amtsperiode des Bundespräsidenten überhaupt noch kein Thema. Der Innenminister fügte hinzu: "Wenn dies in zwei oder zweieinhalb Jahren der Fall sein sollte, ist bis dahin sehr viel Wasser die Isar und die Donau und den Rhein hinuntergeflossen."

CSU-Wissenschaftsminister Thomas Goppel hat indessen Generalsekretär Söder zu Zurückhaltung geraten. Er hätte Söder den Rat gegeben, "ein Urteil jedenfalls bis dahin zurückzustellen, bis der Bundespräsident tatsächlich entschieden hat", sagte Goppel im Deutschlandfunk. Er zeigte zugleich aber Verständnis dafür, dass sich Söder vor der Entscheidung von Bundespräsident Horst Köhler über das Gnadengesuch des ehemaligen RAF-Terroristen deutlich gegen eine Begnadigung ausgesprochen hatte. "Die Tatsache, dass einer einen Wunsch oder eine Bitte äußert, ein Ziel vorgibt (...), diese Tatsache sollte man nicht zur großen Verurteilung nutzen."

Bundespräsident Köhler hatte am Montag nach mehrmonatiger Prüfung entschieden, einem Gnadengesuch des 54-jährigen Ex-RAF-Terroristen Christian Klar nicht nachzukommen. Eine Begründung nannte das Präsidialamt nicht. Köhler lehnte auch ein Gnadengesuch von Birgit Hogefeld ab, die ebenfalls wegen RAF-Morden seit fast 14 Jahren im Gefängnis sitzt. Anders als Klar hat sie sich allerdings deutlich von den Taten der RAF distanziert.

Um die Begnadigung Klars hatte es eine wochenlange erbitterte Debatte gegeben. Köhler war vor allem aus der CSU massiv unter Druck gesetzt worden, den Gefangenen nicht zu begnadigen.

© ddp-bay/AFP/AP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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