Rätsel der Woche:Sind Zeugnisnoten zeitgemäß?

Undifferenzierte Leistungsbewertung oder unerlässlicher Vergleich mit anderen - selbst Lehrer sind sich nicht einig, ob die Ziffern von Eins bis Sechs überhaupt nötig sind.

Von Matthias Kohlmaier

Tausende bayerische Schüler sind am Freitag mit Halbjahreszeugnissen nach Hause gekommen - nicht jeder mit einem guten Gefühl. Die Fünf in Chemie, in Deutsch von Zwei auf Drei gerutscht: Wie konnte das passieren? Grundschüler bis zur dritten Klasse kennen diese Sorge nicht, sie erhalten in Bayern ein Wortgutachten oder haben mit ihrem Lehrer ein Lernentwicklungsgespräch geführt.

Sind Zensuren überhaupt noch zeitgemäß? Nicht einmal Lehrer können sich da einigen. Simone Fleischmann, Chefin des Bayerischen Landeslehrerverbandes, strebt eine "differenziertere und individuellere Leistungsbewertung" an. Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes, hält Noten für unabdingbar. Ein Zeugnis ohne Zensuren suggeriere Schülern, sie könnten auch ohne vergleichende Leistungsbewertung im Leben erfolgreich sein.

Wie zutreffend die Ziffern von Eins bis Sechs die schulische Leistung beschreiben, haben Studien untersucht. Belegt ist, dass Noten Objektivität und Vergleichbarkeit eher vortäuschen als garantieren. Die Tagesform des Schülers kann stark ins Gewicht fallen, oder seine Beliebtheit beim Lehrer. Und der soziale Kontext spielt eine Rolle. Ob eine Drei in Mathe an der Grundschule in München Lehel dasselbe bedeutet wie in Berlin Moabit?

Endgültige Antworten auf solche Fragen stehen aus, dennoch besteht eine gewisse Einigkeit: In den ersten beiden Klassen werden die Kinder in keinem Bundesland durchgehend benotet. Ein Vorzeichen, dass Noten eines Tages völlig abgeschafft werden könnten? Unwahrscheinlich. Bei einer Umfrage bezeichneten drei Viertel der befragten Eltern und Schüler Zensuren als sinnvoll. Für die Noten spricht auch das gegliederte deutsche Schulsystem. Die Schüler auf weiterführende Schulen zu verteilen, fällt mit den - scheinbar eindeutigen - Kriterien leichter.

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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