Rätsel der Woche:Bedeutet Dschihad wirklich "Heiliger Krieg"?

Islamistische Terroristen berufen sich auf den arabischen Begriff. Aber weder interpretieren sie ihn richtig, noch wird er genau übersetzt.

Von Dunja Ramadan

Ob im syrischen Raqqa oder im katalanischen Barcelona - die Terroristen des sogenannten Islamischen Staates rufen ihre Anhänger immer wieder zum "Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen" auf. Die perfide Taktik hinter dem Dschihad-Begriff funktioniert seit Jahrzehnten: Das Morden wird zur religiösen Pflicht eines Gläubigen stilisiert und politisch instrumentalisiert. Die missverständliche Übersetzung "Heiliger Krieg" spielt diesem Kalkül der Terroristen in die Hände.

Dabei bedeutet der arabische Begriff "Dschihad" zunächst nicht mehr als "Anstrengung, Bemühung". Islamische Gelehrte unterscheiden zwischen Großem und Kleinem Dschihad: Der Große Dschihad ist der "Dschihad an-nafs", also der Kampf gegen die eigenen Schwächen, die Selbstüberwindung. Der Gläubige soll ein Leben lang gegen schlechte Charaktereigenschaften ankämpfen und nicht aufhören, an sich zu arbeiten. Als Kleiner Dschihad wird der bewaffnete Kampf bezeichnet, der sich vor allem auf Verteidigung gegen Aggressoren beschränkt und an islamrechtliche Voraussetzungen geknüpft ist. Der defensive Dschihad darf sich nur gegen einen genau definierten Gegner richten, keinesfalls gegen Zivilisten. Extremisten weiten den Begriff Gegner einfach beliebig aus: Der Westen führe einen "Vernichtungskrieg gegen den Islam", so die Al-Qaida-Doktrin.

Im 21. Jahrhundert dürfe der Dschihad nicht mehr geführt werden, um islamische Herrschaft auszudehnen, findet ein Großteil der muslimischen Gelehrten. 2001 schrieben Rechtsgelehrte der Al-Azhar-Universität, der im sunnitschen Islam wohl angesehensten Hochschule, dass der Dschihad nur noch als "Vaterlandsverteidigung" geführt werden könne. Doch Extremisten stützen sich auf eine gänzlich andere Auslegungstradition als etablierte Rechtsschulen. Damit ignorieren sie eine jahrhundertelange islamische Exegese.

© SZ vom 26.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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