Putin/Schröder Treffen:Der Charme des Autokraten

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In Schloss Gottorf belohnt Russlands Präsident Putin den Schmusekurs seines Freundes Schröder. Ein Kommentar von Nico Fried

Wenn Wladimir Putin seinen Freund Gerhard Schröder besucht, verfügt er über ein feines Mittel, um diesen und auch andere Zuhörer zu beeindrucken: Er wechselt die Sprache.

Verbindet eine Männerfreundschaft: Putin und Schröder (Foto: Foto: Reuters)

Auf Deutsch wandte sich der russische Präsident am Dienstag in Schleswig an die Öffentlichkeit und unterbreitete seinen Vorschlag für einen Dialog über die Lösung des Tschetschenien-Konfliktes.

Putins Referenz an seine Kritiker im Land des Gastgebers war ganz offenbar ein Versuch, in schwieriger Lage seinen Charme spielen zu lassen, eine Geste, die das Image des harten Autokraten weichspülen sollte.

Überhaupt zeigte sich Putin auf Schloss Gottorf von großer Konzilianz. Nicht allein, dass er zumindest die Perspektive eröffnete, Moskaus Probleme im Kaukasus zu internationalisieren, was er bisher stets mit dem Verweis abgelehnt hatte, Tschetschenien sei eine innerrussische Angelegenheit.

Wenn er Ernst macht mit dieser Idee, käme dies einer Revolution in der russischen Außenpolitik gleich. Der Präsident sang auch das Loblied auf die ukrainische Demokratie, von der er vor ein paar Wochen noch nicht allzu viel wissen wollte.

Und er erfreute seine klammen Gastgeber mit der Nachricht, die Altschulden früher als geplant zurückzuzahlen, freilich verbunden mit der ziemlich unumwundenen Forderung, dafür mit einem Rabatt belohnt zu werden.

Noch allerdings lässt sich nicht feststellen, ob die plötzliche internationale Isolation, in der sich Putin wegen seiner Parteinahme in der Ukraine wiederfand, tatsächlich eine kathartische Wirkung auf den Präsidenten hatte.

Noch ist die Erinnerung an die schweren Vorwürfe gegen den Westen und die absurden Vergleiche mit dem Krieg im Kosovo zu frisch, mit denen Putin im Verlaufe der Krise von Kiew operierte.

Nichts in Russland ist stabil

Geradezu sprunghaft erscheint nun sein Meinungswandel, ohne endgültig zu offenbaren, wes Geistes Kind Putin in Wahrheit ist. Bei allem Verständnis, das man für die Interessen Moskaus aufbringen kann, war dieser Rückfall in fast sowjetisches Großmachtgebaren eine Warnung, dass nichts in Russland wirklich stabil ist, nicht einmal die Haltung des Präsidenten.

Dieser hat auf Schloss Gottorf viel angekündigt - messen aber muss man ihn an seinen Taten.

Der Kanzler kann mit dem Verlauf der Konsultationen zufrieden sein. Das neue Anlehnungsbedürfnis Putins beraubt die Kritiker der Schröderschen Russland-Politik, von denen es auch in den eigenen Reihen viele gibt, zumindest vorerst mancher Argumente.

Sichtlich zufrieden verschwendete der Kanzler denn auch einmal mehr wenig Mühe darauf, den Eindruck abzuschwächen, dass er seine Sicht der deutsch-russischen Beziehungen gegenüber kleinlichen Einwänden für weit überlegen hält.

Schröder nahm nicht nur die Einladung Putins an, den 60. Jahrestag des Kriegsendes in Russland zu begehen, er nutzte die Gelegenheit auch, einen weiten Bogen von der historischen Verantwortung bis zur strategischen Partnerschaft zu ziehen.

Etwas für Visionäre

Das Verhältnis zwischen Berlin und Moskau, so die Botschaft des Kanzlers, ist nichts für tagespolitische Streitereien, sondern etwas für Visionäre - Visionäre wie ihn.

Wie in einer Parallele zu seiner innenpolitischen Hartnäckigkeit kann Schröder nun auch außenpolitisch darauf verweisen, dass trotzige Standfestigkeit sich irgendwann auszahlt; dass man mit Putin besser reden kann, wenn man an anderer Stelle schweigt, wie es der Kanzler nach der zwielichtigen Präsidentschaftswahl in Tschetschenien getan hat.

Wenn der Zweck die Mittel heiligt, dann überlagern die Wiederannäherungsversuche des Präsidenten auch manche Peinlichkeit, die sich Schröder in der Vergangenheit erlaubt hat. Wenn Putin einlöst, was er jetzt versprochen hat, könnte Schröder im Ergebnis Recht behalten - und manche übertriebene Anheischigkeit nachträglich als staatsmännische Weitsicht interpretieren.

© SZ vom 22.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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