Psychosomatik:Heiter trotz wolkig

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Graue Tage wie diese schlagen aufs Gemüt, vor allem, weil eigentlich strahlender Sommer herrschen sollte. Doch es gibt Psycho-Tricks für gute Laune.

Von Werner Bartens

Natürlich können einem schlechtes Wetter und andauernde Düsternis gehörig die Stimmung verhageln. Dazu überall die graugesichtigen, apathischen Mitmenschen in Bus, Bahn und Büro. Miesepeter, wohin man schaut. Gereizte Autofahrer, schlecht gelaunte Kollegen, und die Familie murrt auch noch. Die mehrtägige Radtour fällt ebenso aus wie die Grillparty, und auch die Abschlussfeiern in Schule und Sportverein müssen notgedrungen nach innen verlegt werden. Es ist ein Elend - und kein Ende in Sicht.

Alles eine Frage der Einstellung. Wer entschlossen ist, sich die Stimmung trotz widriger Umstände nicht verderben zu lassen, dem nehmen auch Hagel und Wolkenbruch nicht das heitere Gemüt. Die Welt entsteht im Kopf - und nicht da draußen. Damit trotz garstigen Wetters die trüben Tage nicht zur Tortur werden, sind allerdings ein paar Techniken hilfreich. Man kann sie als psychologische Tricks bezeichnen, mit dem Einsatz des gesundes Menschenverstandes haben sie auch eine Menge zu tun.

"Man redet darüber, verständigt sich über den Missstand und die daraus resultierenden Einschränkungen - das führt bereits zu einer gewissen Entlastung", sagt Peter Henningsen, Chefarzt für Psychosomatik an der Technischen Universität München. "Das ist die tiefere Grundlage des Sprichworts: Geteiltes Leid ist halbes Leid." Das Phänomen ist derzeit gut zu beobachten. Alle Welt scheint nur ein Thema zu haben, das Wetter.

Zudem geht es darum, den Einschränkungen auch etwas Positives abzugewinnen. Der Verlust ist offensichtlich, der Gewinn bleibt hingegen oft verborgen: Dass man derzeit nicht am See oder im Freibad auf der Wiese dösen kann, liegt auf der Hand. Dafür bleiben Zeit und Muße, um endlich mal wieder Cello zu spielen, ein Buch zu lesen oder einen ausführlichen Brief zu schreiben.

"Ich bin kein Freund des Mottos: Denk positiv!", sagt Chefarzt Henningsen. "Alles rosarot sehen zu wollen, bringt wenig. Es braucht schon konkrete Handlungen, damit sich die Wahrnehmung verändert. Wenn ich dann beispielsweise Fotos sortiere, spüre ich, dass mir das guttut." Mit der Phase schlechten Wetters wird etwas Positives verbunden und dieser angenehme Eindruck prägt sich ein.

Hilfreich ist auch - wie fast immer im Leben - Gelassenheit. Die stellt sich erst recht ein, wenn die Zuversicht auf Wandel begründet ist. Keine Phase trüben Wetters wird ewig anhalten, der Lichtstreif am Horizont ist schon zu ahnen, die baldige Veränderung gewiss. "Das macht den Unterschied zur echten Depression aus", sagt Henningsen. "Wer davon betroffen ist, hat keine Hoffnung auf Veränderungen, sondern sieht alles schwarz."

Ärzte wissen, wie sehr Wahrnehmung und Erwartungshaltung die psychische Verfassung aber auch die Gesundheit beeinflussen. Wer sich für zu dick hält, wird auch schneller zunehmen, unabhängig vom tatsächlichen Gewicht. Wer sich ein "schwaches Herz" einredet, erleidet früher Brustenge und Infarkt. Wer sich hingen für pumperlgesund hält, bleibt das auch länger und fühlt sich bereit zum Bäume ausreißen oder wenigstens für eine Runde durch den Wald. Die macht erst recht bei Matsch und Sauwetter einen Heidenspaß.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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