Protestmittel gegen China:Boykott jein

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Nein zum Fackellauf sagen die einen, ja zu mehr Rechten für die Sportler die anderen. Deutsche Politiker äußern sich zurückhaltend zu einem möglichen Boykott der Olympischen Spiele - die Mehrheit möchte sich die Option offenhalten.

Kathrin Haimerl

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) fährt. Zwar nicht zur Eröffnungsfeier, aber er wird wohl den Leichtathletikwettbewerben zusehen. Es ist die einzige klare Zusage eines Bundesministers. Die übrigen deutschen Politiker sind sich nach wie vor uneins, wie man's mit China halten soll.

Einer, der sich "extrem besorgt" zeigt angesichts der derzeitigen Situation, ist Hans-Ulrich Klose (SPD). Mit Blick auf einen möglichen Boykott sagt der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses zu sueddeutsche.de: "Ich bin in dieser Frage weniger entschieden als andere Politiker." Er tendiert eher gegen einen Boykott - aus Angst, die Situation in dem Land könnte sich weiter aufschaukeln.

Denn seinen Informationen aus dem Auswärtigen Amt zufolge gibt es auch auf tibetischer Seite große Meinungsverschiedenheiten, die Tibeter seien in zwei Gruppen gespalten, die eine Gruppe, die weiterhin der gewaltlosen Linie des Dalai Lama folgt, die andere, die durchaus gewaltbereit sei. Klarer wird Klose mit Blick auf den Fackellauf: "Wenn es so weitergeht, wie bisher, macht dies keinen Sinn."

Gegen einen Boykott spricht sich auch Grünen-Politiker Omid Nouripour aus, allerdings aus einem anderen Grund: "Ich kann mich an keinen einzigen Sportboykott erinnern, der erfolgreich war." Nur: "Man sollte sich zum jetzigen Zeitpunkt noch alle Optionen offen lassen." Die Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Steinmeier, der Eröffnung fernzubleiben, hält er für völlig richtig. Allerdings verspiele die Regierung politisches Gewicht: "Sie sagt nicht offen, was das wirklich ist: nämlich ein Boykott. So verpufft die Wirkung."

Ganz klar spricht sich der Bundestagsabgeordnete für einen Abbruch des Fackellaufs ab: "Egal ob Boykott oder nicht - man sollte die Sportler aus der Schusslinie nehmen. Denn für sie ist es eine Ehre, die Fackel zu halten. Nun gehen sie raus und werden dafür beschimpft. Auch wenn ich die Proteste gerechtfertigt finde - man sollte den Fackellauf abbrechen, um die Sportler zu schützen", sagte er sueddeutsche.de.

Auch sein Parteikollege Hans-Christian Ströbele fordert: Mehr Rechte für die Sportler. "Es kann nicht sein, dass den Sportlern alles Mögliche vorgeschrieben wird - nach dem Motto 'Das dürft ihr, das dürft ihr nicht'." Ähnlich äußerte sich gestern Florian Toncar, der Menschenrechtsbeauftragte der FDP. In einer aktuellen Stunde des Bundestages zur Lage in Tibet forderte er Protestmöglichkeiten für die Sportler. Die Athleten sollten für Menschenrechte eintreten können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, sagte er.

"Boykott als Druckmittel offen lassen"

Hans-Christian Ströbele geht noch weiter: Man sollte die teilnehmenden Sportler darüber aufklären, welche Möglichkeiten des Protestes es gibt. Ströbele nennt als Beispiel die 68er-Generation, die hier Denkanstöße geben könnte: "Von Sit-Ins bis zu den vielfältigsten Protesten aller Art." Den Fackellauf sieht er als gute Gelegenheit für die Demonstranten "die Ereignisse nochmals zu problematisieren - und zwar nicht nur die Unterdrückung in Tibet, sondern auch die Zahl der Todesurteile und die Menschenrechtssituation in China", sagte er sueddeutsche.de. Gerade deshalb wolle er einen Boykott der Spiele derzeit nicht ausschließen - "Man sollte sich diese Möglichkeit als Druckmittel offen lassen."

Das wiederum findet auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU). Allerdings nur dann, wenn sich die Lage in Tibet verschärfen sollte, sagte Oettinger der Südwest-Presse. Derzeit halte er es aber für sinnvoller, teilzunehmen und "unsere Erwartungen an den Gastgeber, was Freizügigkeit und Menschenrechte angeht, vor Ort deutlich anzusprechen". Dies sei chancenreicher als eine Absage, die eine Verringerung der Einflussnahme bedeuten würde. Dabei müssten auch Sportler das Recht haben, ihre Meinung zu sagen, sagte Oettinger.

Vom Boykott hält auch die Linkspartei nichts. Ihr menschenrechtspolitischer Sprecher Michael Leutert sagte am Donnerstag im Bundestag, ein Boykott sei ein Signal dafür, dass der Dialog beendet ist. Die Linke setze statt dessen auf einen Rechtsstaats- und Menschenrechtsdialog.

Die Linke vertritt aber von allen im Bundestag vertretenen Parteien die China-freundlichste Position. Leutert sagte auch, dass derzeit "die moderaten Kräfte in der chinesischen Führung das Heft des Handelns in der Hand haben." Außerdem wies er auf die Pogrome hin, die Tibeter gegenüber Chinesen verübt haben. Der Aufruf zum Gewaltverzicht müsse daher an beiden Seiten gerichtet werden.

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