Profil:Rémy Jouty

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Aerodynamiker und Frankreichs Chefaufklärer bei Flugunfällen.

Von Nadia Pantel

Seinem Chef öffentlich zu widersprechen ist schwierig. Es ist besonders schwierig, wenn der Chef der französische Staatspräsident ist und die Öffentlichkeit durch ein Maximalaufgebot an Reportern, Fotografen und Filmteams aus der ganzen Welt repräsentiert wird. Doch genau diese Situation meisterte Rémi Jouty, der Direktor der französischen Flugunfallbehörde BEA, bemerkenswert souverän. Gerade hatte François Hollande in Seyne-les-Alpes mitgeteilt, dass die zweite Blackbox des abgestürzten Airbus A320 gefunden worden sei, da trat Jouty in Paris vor die Presse und musste widersprechen. Der Flugschreiber werde noch vermisst. Allerdings habe er gerade zum ersten Mal den Stimmenrekorder aus dem Cockpit abgehört. Die Audiodatei sei verwertbar.

In dem Gewirr aus Spekulationen liefert Rémi Jouty kleine Schnipsel an Gewissheit. Er ist derjenige, der aus Schock und Ohnmacht Erkenntnis werden lässt. Man werde auch den zweiten Flugschreiber noch finden, er sei "relativ optimistisch", sagte Jouty, während er den Absturz via Power-Point-Präsentation zusammenfasste. Es ist der Optimismus eines Analytikers. Dunkelblaue Krawatte, weißes Hemd, das Haar hat Stirnfalten Platz gemacht.

Seit dem 1. Januar 2014 ist Jouty Direktor der BEA, einer Behörde, die zum Verkehrsministerium gehört. An der Nationalen Hochschule für Luft- und Raumfahrt in Toulouse wurde er zum Ingenieur ausgebildet. Sein Schwerpunkt: Aerodynamik. Sein Hobby: Aerodynamik. Jouty ist Segelflieger, er hat 1000 Flugstunden Erfahrung angesammelt. Seit 1987 forscht er zur Flugsicherheit, zunächst für das Verteidigungsministerium, von 1995 an bei der Generaldirektion für die zivile Luftfahrt. Dort entschied er über die Verkehrstauglichkeit von Passagierflugzeugen. Von 2006 bis 2008 arbeitete er dann erstmals für die BEA. Sollte er vorher Katastrophen verhindern, beginnt er nun, sie zu rekonstruieren.

Jouty leitete seit knapp drei Monaten die BEA, als er am 16. März von der malaysischen Regierung gebeten wurde, drei Spezialisten nach Kuala Lumpur zu entsenden. Da war der Flug MH370 seit acht Tagen spurlos verschwunden. 239 Passagiere, deren Schicksal bis heute ungeklärt ist.

In solchen Situationen, in denen Medien und Politik in mal heftige, mal sanfte Panik verfallen, ist Jouty für Antworten und Lösungen zuständig. Das Plaudern im Cockpit, kurz nachdem die Maschine abhebt, der ruhige Atem des Copiloten, während sich der Boden nähert, die Schreie der Passagiere kurz vor dem Aufprall: Das sind seine Recherche-Grundlagen. Er nutzt sie nicht, um Schuldige zu finden, sondern um den Verlauf des Absturzes möglich exakt darzustellen.

Die Ersten, die nach den Grundsätzen der BEA über die Ermittlungsergebnisse informiert werden müssen, sind die Angehörigen der Opfer. Es gehört zu Joutys Arbeit, dass er der Überbringer schlechter Nachrichten ist. Er selbst ist verheiratet und Vater zweier Kinder.

© SZ vom 27.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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