Profil:Madonna

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Madonna, Pop-Ikone und küssende Provokations-Künstlerin. (Foto: Jason Szenes/dpa)

Die Pop-Ikone muss sich anhören, dass sie zu alt zum Küssen sei.

Von Marc Felix Serrao

Die Häme kam schnell, wie immer, wenn Madonna etwas tut, was ihrer Art entspricht. Ekelhaft! Widerlich! Was war passiert? Ein Kuss. Nicht mehr.

Auf dem Coachella-Festival in Kalifornien hat die 56-jährige Sängerin dem 28-jährigen Rapper Drake sekundenlang die Lippen auf den Mund gepresst. Das Video der Szene zeigt ihn auf einem Stuhl, während sie ihren Hit "Human Nature" singt, die Stelle, in der sie erklärt, dass sie niemandes "Schlampe" sei. Dann nimmt sie seinen Kopf in die lederbehandschuhten Hände. Als die Einlage vorbei ist, schaut sie keck in die Menge und erklärt, wer sie ist: "Madonna!" Der Rapper verzieht derweil das Gesicht, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. Und das Internet ist hingerissen.

Wie entfesselte Gouvernanten fallen die Kommentatoren über die 56-Jährige her. "Er sieht angeekelt aus", twittert etwa der Berliner Kurier und ernennt Madonna zur "Aggro-Knutscherin". Der Berliner Radiosender Fritz witzelt: "56-jährige Frau küsst hilflos ausgelieferten @Drake und niemand kommt ihm zu Hilfe!" Und Spiegel Online sinniert über Damenbärte. Von den anonymen Trollen ganz zu schweigen.

Tausende Geschmacksrichter erklären, wie ekelhaft, ja, wie grundverkehrt sie diesen Kuss finden. Die Fans der Sängerin halten via Facebook und Twitter dagegen; es sei eine Ehre, von der "Königin" geküsst zu werden. Auch Drake, der Rapper, lässt mitteilen, dass sein Gesichtsausdruck nichts mit Madonna zu tun gehabt habe, es sei der Geschmack ihres Lippenstifts gewesen. Doch zu spät. Die Mehrheit sieht nur eine Frau in den mittleren Jahren, an der man sich wunderbar in der Mittagspause am Rechner abreagieren kann.

Bemerkenswert an dem Spektakel ist weniger die Tatsache, dass die Musikerin aneckt. Das tut sie seit 1984, als sie erstmals ihr "Like a Virgin" im Hochzeitskleid in ein Mikrofon flötete und der konservative Teil der westlichen Welt ihr den Krieg erklärte. Seither geht das so. Madonna inszeniert sich als gefallener Engel, als Bondage-Lady oder als Gruppensexfreundin, und irgendwer regt sich auf. Es ist ein Deal, der aufgeht. Mit mehr als 300 Millionen verkauften Alben ist Madonna Louise Ciccone die erfolgreichste Musikerin unserer Zeit.

Und doch, so richtig scheint ihr das Publikum den Erfolg nicht mehr zu gönnen, zumindest jener Teil, der sich gerne zu den kleinen und großen Malheuren prominenter Menschen äußert. Madonna ist für ihr Alter fit? Iwo, sie sieht aus wie ein singender Knorpel! Madonna rutscht auf der Bühne aus? Ab ins Altersheim! Und nun das: ein Kuss mit einem halb so alten Mann. Pfui Teufel! Man würde den Spöttern ja eine Kopie des Films "Harold und Maude" schicken, wenn man nicht fürchten müsste, dass sie dafür zu vergreist im Geist sind.

Stattdessen sei hier Madonna selbst zitiert: "Wenn du mich nicht magst und dir trotzdem alles anschaust, was ich tue", schrieb sie am Montag auf Instagram: "Schlampe, dann bist du ein Fan."

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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