Presseschau:Das Ende der Börsen-Euphorie

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Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Nach einem Start voller Hoffnung endet das Börsenjahr im Chaos. Die Kurse fahren Achterbahn, viele sehen den Wirtschaftsaufschwung dem Ende nah. Was steckt dahinter?

Von Victor Gojdka

Anfang des Jahres war die Welt an den Börsen noch in Ordnung. Ach was, sie war märchenhaft: Wachstum fast überall auf der Welt. "Goldlöckchen" tauften Börsenprofis diesen Zustand. Am Ende des Börsenjahres ist die Euphorie verpufft: Die Kurse fahren Achterbahn, viele sehen den Wirtschaftsaufschwung seinem Ende nah. Von Euphorie zu Panik - auch die Kolumnisten in den internationalen Finanzredaktionen versuchen, sich darauf einen Reim zu machen.

Wortgewaltig stellt der Londoner Telegraph in seiner Analyse des Börsenjahrs einen Schuldigen heraus: "2018 war das Jahr der Populisten, die mit dem Gespenst des Unberechenbaren noch jeden Winkel des Marktes heimsuchten", ätzt das Blatt. Großbritannien raus aus der EU? Oder doch nicht? Einigung der Italiener mit der EU? Oder doch nicht? Friede im Handelsstreit zwischen USA und China? Oder doch nicht? Wie ein Kurzschluss sprang die politische Unsicherheit auf die Finanzmärkte über und paralysierte sie wie selten zuvor. "Manche Analysten halten dieses ständige Hin und Her für geschäftsschädigender, als es weitere Zölle je sein könnten", analysiert daher die österreichische Presse.

Stets nur mit dem Zeigefinger auf populistische Politiker und ihre Launen zu zeigen, ist der Neuen Zürcher Zeitung jedoch zu einfach. Vor allem die weltweiten Notenbanken hätten ihr Scherflein zum Börsenbeben beigetragen, schließlich erhöhten 56 Prozent der Zentralbanken in den Industrie- und Schwellenländern aktuell die Zinsen. Die Folge: Risikoreichere Anlagen wie Aktien werden unattraktiver, weil sichere Staatsanleihen mehr Rendite bringen. Erfolglos hätten die Börsianer bei den Kurskapriolen auf ein Einlenken der Zentralbanker gehofft, bilanziert der Zürcher Kommentator: "Man zählte darauf, dass die Notenbank zuverlässig einspringen würde, wenn die Börsen taumeln und die Nervosität steigt." Doch das scheint vorbei zu sein.

Verantwortlich für das Chaos an den Börsen sei auch eine Zeitenwende in der Wirtschaft, findet das französische Wirtschaftsblatt Les Echos. "Die Unternehmen kehren von einer Logik der Globalisierung ab, die sie bis ins Extrem getrieben haben", schreibt das Blatt. Nicht nur Trump nage also an der Globalisierung, die Unternehmen täten das selbst. Zunehmend wollten sie Schluss machen mit den fragilen, weltweiten Lieferketten. Die könnten schließlich nicht nur durch Politiker, sondern auch durch Klimaphänomene leicht erschüttert werden. Außerdem könne man so wieder näher an den Verbraucher rücken. Mittelfristig, findet die Zeitung, würden in der Weltwirtschaft "die Karten neu gemischt". Ein Pokerspiel, das auch die Anleger an den Börsen beschäftigen dürfte.

© SZ vom 31.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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