Prävention:Mordwaffe Vierzigtonner

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Die Gefahr lauert auf dunklen Parkplätzen: Lastwagen sind durch ihre Technik vor Entführern geschützt- im Gegensatz zu ihren Fahrern.

Von Thomas Harloff

Ohne Lastwagen funktioniert weder der Alltag noch die Wirtschaft. Nun zeigte sich schon zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres, welch zerstörerische Kraft von ihnen ausgehen kann. Nach dem Anschlag von Nizza am 14. Juli wurde dieser Alltagsgegenstand in Berlin erneut als Mordwaffe missbraucht. Das wirft ein Schlaglicht auf die Sicherheit.

Lkw-Schließsysteme befinden sich auf ähnlichem technischen Stand wie bei Personenwagen. Neuere Modelle haben meist Zentralverriegelungen mit Funkfernbedienung, Alarmanlagen und elektronische Wegfahrsperren sind Standard. Doch wie beim Auto gilt: Wer in das Fahrzeug gelangen und es starten möchte, kann das mit dem nötigen Know-how und der entsprechenden Ausrüstung auch. "Wenn wir aufrüsten, macht das die Gegenseite auch", sagt Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL).

"Wir fühlen uns verlassen, wir fühlen uns unsicher", sagt Lobbyist Karlheinz Schmidt

Deshalb versuchen Speditionen, ihre Fahrer und Lastwagen mit weiteren Maßnahmen vor Einbruch und Diebstahl zu schützen. "Eine primitive Möglichkeit ist, eine Eisenstange zwischen den Türen zu verankern, damit sie sich von außen nicht öffnen lassen", sagt Schmidt. Immer mehr Fahrzeuge sind zudem mit GPS-Trackern und Telematik-Systemen ausgerüstet. Damit kann der Lastwagen nicht nur geortet, sondern auch technisch überwacht werden. Läuft der Motor oder nicht? Welche Drehzahl hat er aktuell? Welcher Gang ist eingelegt? Wie ist der Beladungszustand? All das lässt sich aus der Ferne abfragen. Technisch ist es sogar möglich, den Motor aus großer Entfernung auszuschalten. Weil aber die Gefahr zu groß ist, bei voller Fahrt einen schweren Unfall zu verursachen, funktioniert das nur, wenn der Lastwagen steht.

Viel größere Sorgen als um die Technik macht sich Lobbyist Schmidt um die Sicherheit der Fahrer. Denn auf den Rastanlagen und Parkplätzen sei die Kriminalität besonders hoch: "Wir fühlen uns verlassen, wir fühlen uns unsicher." Immer wieder würden Fahrer mit K.-o.-Tropfen außer Gefecht gesetzt, um ihre persönlichen Sachen oder gar die Ladung zu stehlen. Wer den Fahrer erst überwältigt habe, habe auch den Fahrzeugschlüssel in seiner Gewalt. Schmidt sieht die Politik in der Pflicht, die Sicherheit zu erhöhen: "Wir brauchen erstens mehr Polizeistreifen und zweitens beleuchtete Parkflächen. Wenn es so leicht ist, Zugriff auf einen Lkw zu bekommen, muss man sich nicht wundern, dass er als Waffe eingesetzt wird."

Doch was, wenn ein Lastwagen nicht gestohlen, sondern gemietet wird? Michael Schittenhelm vom Lastwagen-Verleih KLV Rent sieht hier größere Schwierigkeiten für Terroristen: "Wir vermieten nur an gewerbliche Kunden, die ihr Geschäft schon lange Jahre ausüben." Man würde sich erst die entsprechenden Nachweise geben lassen und die Bonität überprüfen. Trotzdem seien die Möglichkeiten für Vermieter begrenzt: "Wenn ein Fahrzeug für einen Anschlag missbraucht wird, können wir nichts mehr unternehmen."

© SZ vom 21.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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