Präsidentschaftswahlen in Weißrussland:Massive Zweifel an Lukaschenkos Sieg

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Der Präsident steuert auf eine dritte Amtszeit zu. Für die gleichzeitig stattfindende Abstimmung zur Verfassungsänderung sehen unabhängige Umfragen keine Mehrheit. Nach Behördenangaben sind angeblich 85 Prozent der Wähler dafür.

Von Daniel Brössler

Weißrusslands autoritärer Präsident Alexander Lukaschenko hat am Sonntag die Weichen für sieben weitere Jahre an der Macht gestellt. Gleichzeitig mit einer Parlamentswahl ließ er über eine Verfassungsänderung abstimmen, die es ihm ermöglicht, 2006 noch einmal für eine fünfjährige Amtszeit zu kandidieren.

Schon Stunden vor Schließung der Wahllokale vermeldete das staatliche Meinungsforschungsinstitut Ecoom einen Erfolg Lukaschenkos. Einer Nachwahl-Umfrage zufolge hätten 82 Prozent der Wähler für die Verfassungsänderung gestimmt, welche die Begrenzung auf zwei Amtszeiten für den Präsidenten aufhebt. Mit Nein hätten 14 Prozent gestimmt.

Diese Zahlen widersprechen massiv den Umfragen unabhängiger Institute in den vergangenen Wochen. Sie hatten eine Zustimmung von klar unter 50 Prozent zu der Verfassungsänderung ermittelt. Das Referendum ist erfolgreich, wenn eine absolute Mehrheit der Wahlberechtigten zustimmt.

Schwere Kritik der OSZE

Schon im Vorfeld der Parlamentswahl hatte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) schwere Kritik geäußert. In einem vorläufigen Bericht zählte das Amt für Demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE viele Mängel auf und monierte Behinderungen oppositioneller Kandidaten.

Außer der OSZE entsandte auch die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten eine Beobachtermission zu der Wahl in Weißrussland. Der Leiter dieser Mission, der Sekretär des russischen Sicherheitsrates Wladimir Ruschailo, äußerte sich am Sonntag wohlwollend. "Technische Unregelmäßigkeiten kommen bei fast allen Wahlen in allen Ländern vor."

An die GUS-Beobachter gerichtet hatte die Leiterin der weißrussischen Wahlkommission, Lidija Jermoschina, zuvor gesagt: "Uns ist Ihr Zeugnis besonders wichtig. Wir glauben an Ihre Objektivität." Die Opposition in Weißrussland hat klar gemacht, dass sie Wahl und Referendum für von vorne herein manipuliert hält. Den zwei oppositionellen Wahlbündnissen wurden kaum Chancen auf eine nennenswerte Vertretung im 110 Abgeordnete zählenden Parlament eingeräumt.

Präsident Lukaschenko wies indes am Sonntag jegliche Kritik zurück. Seit zehn Jahren sei der Westen unentwegt wegen Weißrussland besorgt, sagte er bei seiner Stimmabgabe. "Ich denke, Sie haben genügend andere Probleme. Wenden Sie sich ihnen zu," sagte er an die USA und die EU gerichtet.

© SZ vom 18.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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