Präsidentschaftskandidat Le Pen:Der rechte Agitator

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Nach seinem überraschenden Erfolg 2002 könnte es dem Rechtsextremisten Le Pen am Sonntag wieder gelingen, in die zweite Runde der französischen Präsidentschaftswahl einzuziehen. Auch wenn er sich als altersmilder Staatsmann inszeniert - seine Gesinnung hat sich nicht geändert.

Johannes Honsell, Paris

Der alte Mann genießt das Spiel. Mehr als hundert Journalisten sind ins Funkhaus von Radio France gekommen, um Jean-Marie Le Pens Ansichten über Europa und internationale Politik zu hören.

Will Präsident werden: Le Pen (Foto: Foto: AFP)

"Monsieur Le Pen, wenn Sie Präsident werden sollten, welches Verhältnis werden Sie zum französischsprachigen Afrika pflegen?", will eine afrikanische Journalistin wissen. "Das bestmögliche", antwortet Le Pen, und muss selber lachen. Le Pen als Chef der französischen Außenpolitik, das ist schwer vorzustellen.

Die Presse schmeichelt ihm dieser Tage öfter mit der Hypothese einer Präsidentschaft. Denn niemand weiß so recht, was von dem Rechtsaußen bei der Wahl am Sonntag zu erwarten ist. Zwischen 12 und 16 Prozent pendeln seine Umfragewerte, damit liegt er auf Platz vier.

Furcht vor dem Desaster

Doch Experten vermuten, dass viele Wähler ihre Präferenz für Le Pen nicht offen zugeben wollen. Der Chef der rechtsextremen Partei Front National könnte also sein Wahlergebnis von 2002 wiederholen, als sein Einzug in die Stichwahl gegen Jacques Chirac Frankreich erschütterte. Seitdem jagt Le Pen wie ein Schlossgespenst vor allem die Sozialisten, die nichts mehr fürchten als eine Wiederholung des Desasters vom 21. April.

Damals wirkte Le Pen bei der Verkündung der Ergebnisse keineswegs überrascht, eher unzufrieden: "Ich bin sehr enttäuscht vom Ergebnis und vor allem vom Gegner", ließ er verbreiten. Er hatte der Linken eine desaströse Niederlage zugefügt, aber er wusste auch, dass er im zweiten Wahlgang keine Chance gegen Chirac haben würde. Mit knapp 18 Prozent der Stimmen verlor er deutlich. Der Moment seines größten Triumphs war zugleich Sinnbild einer ewigen Niederlage.

Zum fünften Mal tritt Le Pen in diesem Jahr zur Präsidentschaftswahl an. Zwar konnte er sein Ergebnis von Wahl zu Wahl verbessern: 1974 noch marginalisiert, erhielt er 1988 14,4 Prozent, 1995 15 und 2002 16,9 Prozent. Aber ein Sieg war nie in Reichweite, und es ist anzunehmen, dass es auch diesmal nicht dazu kommt.

So kann Le Pen es lediglich als Erfolg verbuchen, dass er sich in 51 Jahren hartnäckiger politischer Agitation politisch inventarisiert hat, und auch seine Randposition auf dem harten Sockel rechts-nationaler Ideen.

Antisemitische Ausfälle

Die Medien sind Le Pen gegenüber nicht mehr so feindlich eingestellt wie früher. Vergessen scheinen die xenophoben und antisemitischen Ausfälle wie sein Wort von den Gaskammern als "Detail der Geschichte des Zweiten Weltkrieges." Der gemäßigt-konservative Figaro ließ Le Pen in einem Interview ausführlich zu Wort kommen, ohne seine Fremdenfeindlichkeit näher zu thematisieren.

Bei der Pressekonferenz mit der Auslandspresse gab Le Pen nun den Staatsmann und schwadronierte von der Abschaffung des Euro und der Harmlosigkeit des iranischen Atomprogramms: Teheran habe nicht die Absicht geäußert, eine Bombe zu bauen, und schließlich: "Warum sollte das Land nicht wie alle anderen Zugang zur Elektroindustrie haben?"

Die kommunistische Zeitung L'Humanité schimpfte: "Die unerträgliche Banalisierung der Aussagen Le Pens ist ein Skandal!" Die Umfragen bestätigen Le Pens wachsende Akzeptanz beim Volk.

Im Dezember vergangenen Jahres erhob das Institut TNS Sofres, dass nur noch 34 Prozent der Franzosen Le Pens Ideen inakzeptabel finden. Ein Jahr zuvor waren es 39, im März 1997 48 Prozent.

"Alle laufen hinter mir her"

Le Pen macht die neue Rolle als gesellschaftsfähiger Volkstribun von Rechtsaußen sichtbar Spaß. "Alle laufen hinter mir her", antwortete er auf die Frage, ob der Wahlkampf nach rechts drifte. Mit Lust an der Pointe krächzt er den Journalisten Bosheiten zu, vor allem über Nicolas Sarkozy, der erfolgreich Le Pens Wählerschaft dezimiert.

Sarkozy sei "ein Eichhörnchen im Laufrad: So sehr er auch strampelt, er kommt nicht vom Fleck." Auch vor rassistischen Ressentiments scheut Le Pen nicht zurück. Sarkozy, Sohn eines ungarischen Einwanderers, sei der "Kandidat der Immigration", er selbst jener der "Heimaterde".

Eine Haltung, die er am Donnerstag noch einmal präzisierte: "Der Präsident muss die Inkarnation von Volk und Nation sein, das ist eine ethische Bedingung der Kandidatur. Sarkozy erfüllt sie nicht. Ich schon."

Auch wenn sich Le Pen staatsmännischer als früher gibt: Die Inhalte sind die alten. Nach wie vor plädiert er für Null-Einwanderung, und wer ihn ein bisschen piekst, erhält, wenn auch verklausulierter, die alten antisemitischen Ressentiments.

"Jacques Chirac hat Unrecht gehabt, als er die Rolle Frankreichs bei der Deportation der Juden anerkannt hat", teilte der er der Zeitung Parisien am 15. April mit. Auf die Frage eines Lesers, ob er die Art bedauere, in der an den Schulen die Schoah behandelt werde, antwortete er: "Dieses Thema werde ich nicht behandeln. Diese Debatten finden nicht im Bereich der freien Meinungsäußerung statt."

Le Pen hat alle Lügen gestraft, die ihn für zu alt für eine weitere Kandidatur hielten. Würde er mit 78 Jahren wirklich Präsident werden, wäre er bei Amtsantritt in etwa so alt wie Mitterrand auf dem Sterbebett. Aber Le Pen ist in Form.

Eine Erkrankung an Prostatakrebs 2002 hat er heil überstanden, eine Hüftoperation 2005 tat er als "banal" ab. Angeblich macht der Veteran von Indochina und Algerien immer noch drei Mal täglich 15 Liegestütze und 40 Situps. Seine Tochter Marine soll einmal sein Erbe übernehmen, doch bislang lässt der Vater über einen Abschied aus der Politik nichts verlauten. Le Pen 2012? Schlossgespenster sterben nicht.

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