Präsidentschafts-Einigung:Gedankenspiele nach dem Coup

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Eine Personalie zieht die nächste nach sich. Steinmeier ist Kandidat fürs Bundespräsidentenamt - doch wer zieht ins Außenamt ein?

Von Christoph Hickmann, Berlin

Der Jubel über die eine Personalie war bei der SPD noch nicht verklungen, als bereits das Nachdenken über die nächste begann. Der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier soll Bundespräsident werden - doch wer wird an seiner Stelle Außenminister? Die Frage ist nicht ganz trivial, weil von der Antwort ein paar weitere Fragen abhängen, die man bei der SPD in den nächsten Wochen beantworten muss.

Eines vorweg: Trotz anderslautender Wortmeldungen aus der Union zieht niemand ernsthaft in Zweifel, dass auch der nächste Außenminister ein Sozialdemokrat sein wird - schließlich ist die Verteilung der Ministerien im Koalitionsvertrag geregelt. Für die Frage, wer es sein wird, will sich die SPD nun etwas Zeit nehmen. Doch der erste Name kursierte in Berlin bereits am Montagmittag: Martin Schulz. Der Präsident des Europäischen Parlaments bringt nicht nur eine Menge außenpolitischer Erfahrung mit, sondern hat auch innerhalb der Partei eine beträchtliche Anzahl an Fans. Obendrein soll Anfang nächsten Jahres seine Amtszeit als Parlamentspräsident enden, da es eine Vereinbarung mit den Konservativen gibt, ihnen den Posten für die zweite Hälfte der europäischen Legislaturperiode zu überlassen. Aus sozialdemokratischer Sicht wirkt Schulz also wie der ideale Kandidat. Doch von da an wird es kompliziert.

Denn Schulz hat immer wieder klargemacht, dass er sich an die Vereinbarung mit den Konservativen am liebsten nicht halten und stattdessen das Amt des Parlamentspräsidenten gern behalten würde. Die Konservativen wiederum wollen auf der Vereinbarung bestehen - wobei immer wieder spekuliert wird, ob es noch eine Hintertür geben könnte. In den nächsten Wochen dürfte eine Entscheidung fallen. Sollten sie Schulz einen Strich durch die Rechnung machen, wäre das ein Dämpfer für ihn. Sollte die SPD ihn also zum Außenminister machen wollen, sollte sie damit nicht allzu lange warten - sonst könnte es wirken, als werde da einer, dessen Karriere in Brüssel und Straßburg vorbei ist, mit dem Auswärtigen Amt als Trostpreis versorgt. Und andersherum: Sollte Schulz doch noch die Chance auf eine Verlängerung seiner Amtszeit bekommen - sähe es dann nicht seltsam aus, wenn er, der so oft die Bedeutung der Europapolitik betont hat, trotzdem nach Berlin entschwände?

Martin Schulz (SPD) bringt als Präsident des Europaparlaments eine Menge außenpolitischer Erfahrung mit. Und in der Partei hat er viele Fans. (Foto: dpa)

Und damit zur Frage, ob Parteichef Sigmar Gabriel, seit Montag schwer obenauf, Schulz überhaupt zum Außenminister machen will. Noch vor Monaten, vielleicht sogar vor Wochen, hätte man das umstandslos bejahen können - schließlich hatte Gabriel in der Vergangenheit immer mal wieder versucht, seinen Freund oder jedenfalls Verbündeten Schulz nach Berlin zu holen. Zuletzt allerdings registrierten Gabriel und seine Leute aufmerksam, dass Schulz sich mehr oder weniger dezent als möglicher SPD-Kanzlerkandidat ins Spiel brachte. Es ist nicht ganz klar, wie begeistert sie davon waren - und wie eilig Gabriel es vor diesem Hintergrund derzeit noch hat, Schulz ins schwarz-rote Kabinett zu holen.

Überhaupt, die Kanzlerkandidatur: Auch für die Frage, wer die SPD in den Bundestagswahlkampf führen soll, ist die Besetzung des Auswärtigen Amts nicht ganz unerheblich. Für einen möglichen Kanzlerkandidaten Schulz wäre das Amt des Außenministers die Chance, sich nach all den Jahren auf der europäischen Bühne noch einmal ein paar Monate lang ins Bewusstsein der Wähler einzuprägen - einerseits. Andererseits wäre er dann unter Kanzlerin Angela Merkel, die er aller Wahrscheinlichkeit nach im Wahlkampf zu attackieren hätte, in die Kabinettsdisziplin eingebunden.

Aber was wäre eigentlich, wenn Gabriel selbst Außenminister werden wollte? Schließlich dürfte er seine Entscheidung für das Wirtschaftsministerium nach all dem Ärger um Freihandel, Rüstungsexporte und Supermarktfusionen schon mehrmals bereut haben. Als Außenminister wäre er diese Dinge los und könnte obendrein versuchen, noch ein wenig an seinem Image zu arbeiten. Andererseits dürften die unangenehmen Sachthemen im Wirtschaftsministerium demnächst größtenteils abgeräumt sein, obendrein wäre das Manöver ziemlich durchsichtig. Und falls Gabriel sich dafür entscheiden sollte, die Kanzlerkandidatur jemand anderem zu überlassen, würden ihm höhere Popularitätswerte ohnehin nicht mehr viel nützen.

Welche weiteren Namen bleiben? Thomas Oppermann, dem Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, trauen die meisten Genossen so ziemlich jedes Amt zu, also auch das des Außenministers. Doch sein Sprecher lässt ausrichten: "Thomas Oppermann ist gerne Fraktionsvorsitzender und will das auch bleiben." Bleiben noch die führenden SPD-Außenpolitiker im Parlament, Rolf Mützenich und Niels Annen. Oder SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan. Wobei Sigmar Gabriel stets für eine Überraschung gut ist. Mit einem Justizminister Heiko Maas jedenfalls hatte nach der Bundestagswahl 2013 kaum jemand gerechnet.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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