Präsidentenwahl in der Türkei:Gül tritt erneut an

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Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate hat die fromm-konservative Regierungspartei AKP in der Türkei den 56-jährigen Außenminister Andullah Gül für das Amt des Staatspräsidenten nominiert. Dass er diesmal gewählt wird, ist sehr wahrscheinlich.

Im Frühjahr war Güls Bewerbung im Parlament gescheitert, weil die Opposition die entscheidenden Parlamentssitzungen boykottierte und das Verfassungsgericht neue Hürden für die Wahl des Staatsoberhauptes errichtete.

Diesmal ist die Lage aber anders: Gül ist das Präsidentenamt kaum noch zu nehmen. Spätestens beim dritten Wahlgang, der für den 28. August vorgesehen ist, kann Gül mit der Wahl zum elften Präsidenten der türkischen Republik rechnen. Schon einen Tag später könnte er das Amt vom scheidenden Präsidenten Ahmet Necdet Sezer übernehmen.

Ende April und Anfang Mai argumentierten die türkischen Kemalisten, die Gül und die AKP als islamistische Gefahr sehen, beim ersten Durchgang der Wahl des Staatspräsidenten müssten mindestens 367 der 550 Abgeordneten im Parlament versammelt sein. Obwohl dies in der Verfassung nicht eindeutig vorgeschrieben ist, stimmte das Verfassungsgericht der Meinung der kemalistischen Oppositionspartei CHP zu.

Da die CHP als damals einzige Oppositionskraft die Parlamentssitzungen zur Präsidentenwahl boykottierte, scheiterte Gül, obwohl er im Plenum mehr Stimmen erhielt als Präsident Sezer bei dessen Wahl im Jahr 2000.

Veränderte Situation

Inzwischen hat sich die Lage im Parlament aber grundlegend verändert. Die CHP erwägt zwar einen erneuten Boykott, aber sie ist nicht mehr einzige Oppositionspartei, sondern nur noch eine von vier. Die rechtsnationale MHP, die 70 Abgeordnete stellt, will bei der Präsidentenwahl im Plenum sitzen, auch wenn sie dabei nicht für Gül stimmen wird.

Auch mit der Anwesenheit der 20 Abgeordneten der Kurdenpartei DTP wird gerechnet. Gemeinsam mit den 341 Abgeordneten der AKP dürfte also das vom Verfassungsgericht vorgeschriebene Quorum von 367 Abgeordneten beim ersten Wahlgang leicht erreicht werden.

Eher geringe Aussichten hat Gül, mit Hilfe von Stimmen der Opposition schon im ersten Durchgang gewählt zu werden. Dafür wären 367 Ja-Stimmen erforderlich. Dasselbe gilt für den zweiten Wahlgang. Bei der dritten Runde am 28. August aber genügt die einfache Mehrheit zur Wahl: 276 Stimmen.

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