Power of Politics:Vom Bezirksrat zum Bundeskanzler

Lesezeit: 2 min

Auf die richtigen Themen setzen, gute Berater auswählen, die Ressourcen richtig verteilen. Wer es im Online-Browser-Spiel ins Kanzleramt schaffen will, muss ein hervorragender Manager sein.

Bernd Oswald

Stellen Sie sich vor, Gerhard Schröder wäre nach seiner Abwahl als Bundeskanzler in die Niederungen der Landespolitik zurückgekehrt, um von dort einen neuen Anlauf aufs Kanzleramt vorzubereiten. Ausgeschlossen? Was in der Realität undenkbar erscheint, ist im Browser-Spiel Power Of Politics kurz "POP" kein Problem.

Die Schaltzentrale eines jeden Power of Politics-Teilnehmers: das Büro mit der SZ auf dem Tisch (Foto: Screenshot: Power of Politics)

Nikolai Kuhn war dort Bundeskanzler. Zwölf Wochen am Stück. Dann brach ihm die Mehrheit weg und er zog sich ins virtuelle Baden-Württemberg zurück. Dort bastelt der 28-jährige jetzt an seinem Comeback.

Doch die Konkurrenz ist groß: 31.000 Mitspieler hat das in Österreich entwickelte Browser-Game, das seit Juni 2006 auch in Deutschland angeboten wird. Man fängt klein an als Kommunalpolitiker, der es auf einen Sitz im Bezirksparlament abgesehen hat. Aus 10.000 Euro und 30 Energiepunkten muss man seine politische Karriere basteln.

Nach oben kommt nur, wer sich als gewiefter Manager entpuppt: auf die richtigen Themen setzen, überzeugend diskutieren, die richtigen Helfer und Berater einstellen, in der Presse vertreten sein. So steigt die Popularität des eigenen Politikers. Wer damit gut eingesäumt ist, hat die besten Chancen bei den Wahlen, die jeden Sonntag stattfinden, ein Mandat zu bekommen.

"Jugendliche User diskutieren sehr radikal"

Allerdings wählen nicht die Mitspieler, sondern der Computer, der alle Aktivitäten auswertet und in Öffentlichkeits- und Wissenspunkte umrechnet. Die Punkte der Parteimitglieder werden gewichtet und in Prozente und Sitze für die Partei umgerechnet. Die Mandate gehen dann an die jeweils beliebtesten Politiker.

Wer drin ist, kann in Koalitionsverhandlungen eintreten. Entweder reicht es nur zu einer Minderheitenregierung. Wenn auch das klappt, können eine Woche lang Gesetze gemacht werden. Dabei einigt man sich aber nur nach der Devise "drei im Bereich Arbeit, zwei zur Natur und Umwelt und eines zu Sicherheit und Recht". Um konkrete Inhalte geht es dabei nicht, denn "jugendliche Internet-Nutzer diskutieren sehr radikal und emotional. Da würde es zu viel Streit geben", sagt Peter Merschitz, der POP 2004 gemeinsam mit Tim Preuster erfunden hat.

Sonntag für Sonntag werden die Karten neu gemischt. Regierungserfahrung ist wiederum nötig, um auf die Länderebene aufsteigen zu dürfen. Und erst, wer in einem Land regiert hat, darf in den erlauchten Kreis der Bundespolitiker vordringen.

Die erste Fusion ist immer die schwierigste

So wie Nikolai Kuhn. Sein Erfolgsgeheimnis: Kommunikation. Man muss seine Parteimitglieder mobilisieren, Nachwuchs heranführen, sich bei den kommenden Themen in Szene setzen - und dabei immer flexibel bleiben. Flexibel bis hin zur Fusion - wenn es dem Machterhalt dient. Kuhn begann in der Studenten Partei Europas, die er selbst gegründet hatte. Aus taktischen Gründen fusionierte er mit der Partei europäischer Politiker: "Die erste Fusion ist immer die schwierigste", erzählt er, "weil man da noch seine selbst gegründete Partei aufgeben muss."

Das ganze Spiel geht er "strategisch-taktisch" an, bemüht sich bei den Mitspielern um "vertrauensschaffende Maßnahmen". Da spricht er schon ganz wie die realen Politiker. Auch selbst sieht er Paralllelen zum politischen Geschäft: "Man kann es sich nicht lange leisten, außen vor zu bleiben. Wer kein Mandat hat, verschwindet schnell von der Bildfläche."

Ganz und gar real sind die Schlagzeilen der Zeitung, die auf dem Schreibtisch jedes POP-Spielers liegt. Für Bayern und Baden-Württemberg ist das die Süddeutsche Zeitung. Wer auf das virtuelle SZ-Exemplar klickt, kommt auf die sueddeutsche.de-Homepage und kann sich dort über das aktuelle Geschehen informieren. Ein bisschen Erdung für den virtuellen Wahlkampf.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: