Post:Von gestern und für morgen

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Wie das Unternehmen Schließfächer in die Zukunft retten will.

Von Benedikt Müller

Ein Postfach war mal was für Kunden, die es eilig hatten. Schon die Reichspost schloss vor fast 120 Jahren alle Briefe, die an eine Postfachadresse gingen, in einen stählernen Kasten im Postamt ein. So kamen Kunden wie etwa Kanzleien schon in der Früh an ihre Briefe, als der Bote noch seine Runde drehte. Bis heute schlummern Briefe in Schließfächern; nur wer den Schlüssel hat, kommt heran. Und er kann obendrein Briefe bekommen, ohne seine Hausanschrift zu verraten.

Doch was ist all das noch wert, da das Internet heute Dokumente binnen Sekunden um den Globus transferiert? Und Firmen wie Privatleute immer weniger Briefe schicken? Die Deutsche Post jedenfalls hat ein paar Ideen, um ihre äußerst analogen Stahlkästen zukunftsfähig zu machen, wie aus Schreiben an Kunden hervorgeht.

Demnach wird der längst privatisierte Konzern von Mitte des Jahres an ein digitales Sendungsreporting anbieten; der Name schwankt schon herrlich zwischen Behördendeutsch und neuer Welt. Wer will, erhält dann täglich eine Mail und sieht auf Fotos, welche Umschläge in seinem Postfach gelandet sind. Dies könne Kunden die Entscheidung erleichtern, ob es sich lohne, ihr Schließfach zu leeren, heißt es von der Post. Und ja, der "neue Service" sei in der Miete inbegriffen.

Allerdings setzt da die schlechte Nachricht für Postfach-Kunden an: Für sie steigt die Jahresgebühr zum 1. März von knapp 20 auf knapp 23 Euro. Dabei hat der Konzern erst vor drei Jahren überhaupt einen Mietpreis eingeführt. Zuvor waren die Fächer kostenlos, denn gerade bei Firmen mit vielen Briefen galt es stets als praktisch, wenn die Boten nicht alles vor die Tür karren müssen. Schon folgt nun die Erhöhung um immerhin 15 Prozent. Die Post verweist auf "allgemeine Kostensteigerungen", etwa höhere Mieten.

Ganz frei seien die Kunden jedenfalls, ob sie nun künftig digital vom Eingang in ihrem analogen Fach erfahren möchten oder nicht, betont ein Konzernsprecher. Daher sei das Angebot auch konform mit Datenschutz und Briefgeheimnis. Zumal die Bilder in den Mails nur die Vorderseiten der ungeöffneten Umschläge zeigten.

Wem das noch zu umständlich ist, der kann sich gegen eine monatliche Gebühr längst alle Briefe abfangen, maschinell öffnen und scannen lassen. Bislang nutzen vor allem Firmen diese Dienstleistung. Sie können sich so eine eigene Poststelle sparen, noch so ein Relikt aus alten Zeiten. Die Deutsche Post hat mittlerweile aber auch einige Konkurrenten, die das maschinelle Öffnen, Scannen und Mailen übernehmen. Um das Fortbestehen des Postfachs scheinen dennoch keine vergleichbar existenziellen Sorgen angebracht zu sein wie etwa um die Zukunft des öffentlichen Fernsprechers oder des Telegramms. Die Post zählt zwar nur noch 746 000 Schließfächer in klassischer Montur, die Zahl geht seit Jahren zurück. Doch wird diese - ursprünglich amerikanische - Erfindung der Menschheit in anderer Form wohl noch lange erhalten bleiben: sprachlich im Begriff des E-Mail-Postfachs, der sich vorerst in die Neuzeit gerettet hat. Und physisch in Gestalt der vielen Packstationen für Pakete, die in verkehrsgünstigen Stadtlagen immer mehr werden.

© SZ vom 16.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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