Porträt:Wladimir Putin - Zielstrebiger Wahlsieger in Russland

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Genugtuung wird er spüren, zeigen wird er sie nicht. Große Gefühle sind nicht nach seiner Art. Für Russlands alten und neuen Staatschef Wladimir Putin gehören Selbstbeherrschung und Undurchschaubarkeit zu den Kardinaltugenden.

Von Tomas Avenarius

An seiner Wiederwahl hatten nie Zweifel bestanden: Wie sollten sie auch in einem Land, in dem dank Putin die "gelenkte" (sprich manipulierte) Demokratie inoffiziell Verfassungsrang hat?

Doch der Präsident wäre auch ohne die Beeinflussung der Wähler durch hemdsärmelig-undemokratische Methoden des Kremlpersonals im Amt bestätigt worden. Weite Teile der Bevölkerung stehen hinter ihm. Sie sind bereit, auf Grundelemente der Demokratie, wie offen konkurrierende Parteien oder unabhängige Medien, zu verzichten. Statt demokratischer Korrektheit bietet Putin den Bürgern staatsbürgerliche und individuelle Heimat in einem wirtschaftlich wieder halbwegs stabilen und politisch mehr oder weniger gewichtigen Russland.

Der 51-jährige ehemalige KGB-Offizier stammt aus St. Petersburg; bei seiner Geburt hieß die Stadt Leningrad. Er entstammt einer sowjetischen Durchschnittsfamilie und wuchs in einer bescheidenen Kommunalka auf, einer Mehrfamilienwohnung. Auf den Hinterhöfen soll der spätere Präsident weniger auf die Wirkung des Wortes denn die Überzeugungskraft der Faust gesetzt haben.

Bis er zum Sport fand: Putin ist Meister im analytisch-bedachten Anti-Schläger-Kampfsport Judo. In jungen Jahren soll er auch seine zweite Bestimmung erkannt haben: die zum Geheimdienstmann, die ihn als "Freund-Spion" in die DDR und später an die Spitze des russischen Geheimdienstes FSB führte.

Gewiefter Apparatschik-Taktiker

Effektivität ist einer von Putins Lieblingsbegriffen. Er selbst hat einmal formuliert: Wenn er ein Ziel habe, konzentriere er sich und blende alles links und rechts davon aus. Ähnlich an "Effektivität" orientiert wirkt sein Politikverständnis. Putin will Russland politisch-militärisch mächtig und wirtschaftlich erfolgreich sehen. Daher lässt er Elemente der schwergängigen Demokratie - echte Gewaltenteilung, kritische Medien oder faire Wahlen - links liegen.

Wichtig ist ihm wirtschaftliches Erstarken als Hebel zu sozialem Ausgleich und zu internationaler Stärke. Um dies zu erreichen, hat er anfangs Kompromisse mit dem Westen gesucht, dabei aber die Ziele nie aus den Augen verloren. Nach vier Putin-Jahren und einem Wirtschaftsboom ist Russland wieder selbstbewusst: Im Umgang mit den USA, der EU oder den ex-sowjetischen Nachbarstaaten. Das wird sich in den kommenden Jahren verstärken.

Innenpolitisch verfolgt der gewiefte Apparatschik-Taktiker eine Politik der Zentralisierung der Macht: Er hat den anarchisch-halbdemokratisierten Staat der Jelzin-Zeit mit teilweise halb autoritären Methoden in den Griff bekommen, ohne die liberalen Wirtschaftsreformen aufzugeben. Dafür hat er Parlament, Parteien und Medien an eine kurze Kandare genommen. Den brutalen Tschetschenienkrieg, den Putin in wenigen Monaten beenden wollte, führt er indes noch immer.

© SZ vom 15.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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