Porträt:Werner Schulz, der unbequeme Kläger

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Die einen nennen ihn einen faulen Griesgram, die anderen loben ihn für seine Intelligenz und Unbestechlichkeit. Recht haben wohl beide.

Von Robert Roßmann

In Erinnerung wird vor allem die Stimme bleiben - diese ruhige, tiefe, immer irgendwie traurige Stimme. Wehleidig für die einen, abgeklärt für die anderen.

Kaum ein Abgeordneter löst bei den Grünen so unterschiedliche Reaktionen aus wie Werner Schulz. 15 Jahre lang sitzt der ehemalige Bürgerrechtler schon im Bundestag, und noch immer fällt es schwer, ein passendes Etikett für den Zwickauer zu finden.

Bei den Fischeristen löst sein Name Spott aus, bei manch Ober-Grünen mit kommunistischer Vergangenheit gar Kaskaden gehässiger Sottisen. Faul sei Schulz. Ein larmoyanter Kerl. Selbsternannter Bündnis-90-Gralshüter.

Ein Rechthaber und Griesgram, der einem den schönsten Tag vergällen könne. Der "Club der alten Damen" preist Schulz dagegen ob seiner Intelligenz, Unbestechlichkeit und klaren moralischen Positionen.

Der Club der alten Damen - so nennen die Grünen ihre weiblichen Abgeordneten der ersten Stunde: Antje Vollmer, Marieluise Beck und Christa Nickels. Recht haben sie wohl beide, die Damen und die Fischeristen.

Schulz teilt das Schicksal so vieler Intellektueller, die manchmal an der Schlichtheit ihrer Gegenüber verzweifeln. Die schlau sind - aber nicht schlau genug, das nicht immer zu zeigen.

Die ausgewiesenen Verstand mit fehlendem Fleiß auszugleichen wissen. Dass der ostdeutsche Bürgerrechtler zum Einzelgängertum neigt, hat ihm das Leben zusätzlich erschwert.

Sich demütig dem Fischer-Regime unterzuordnen, darauf war er nicht erpicht. Am Ende blieb ihm nur die Unterstützung der alten Damen, also fast keine.

Dabei hätte aus Schulz eine der Führungsfiguren der Grünen werden können. 1989 saß er für das Neue Forum am Runden Tisch, zog im Jahr darauf in die erste frei gewählte Volkskammer ein.

Nach der Bundestagswahl 1990 - bei der die West-Grünen an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten - führte Schulz die winzige Bündnis-90-Gruppe durch die karge Oppositionszeit. Unter seiner Verhandlungsleitung fusionierte Bündnis90 mit den West-Grünen.

Fischers politisches Gewicht unterschätzt

1994, die Ökopartei war kraftvoll in den Bundestag zurückgekehrt, wollte Schulz die Dividende für sein Werk. Doch Fraktionschef wurde Fischer, für Schulz blieb nur der Parlamentarische Geschäftsführer. Der Bürgerrechtler bäumte sich zwar noch einmal auf, installierte Gunda Röstel als Parteichefin - sie las fürderhin vor, was Schulz ihr aufschrieb.

Doch Schulz unterschätzte das erdrückende politische Gewicht Fischers. Gegen Ende der Legislatur erlahmte sein Arbeitseifer.

Auch nach dem Wechsel Fischers ins Außenamt kam der Sachse nicht mehr auf die Füße: 1998 und 2002 kandidierte Schulz für den Fraktionsvorsitz, er unterlag erst Rezzo Schlauch, dann Katrin Göring-Eckardt. Ihm blieb nur das Amt des wirtschaftspolitischen Sprechers, aufgefallen ist er damit nicht mehr.

Der schlimmste Tag im politischen Leben des Werner Schulz dürfte aber der vergangene Sonntag gewesen sein. Bei der Berliner Listenaufstellung scheiterte der 55-Jährige gleich zweimal, er wird dem nächstem Bundestag nicht mehr angehören.

Mit der Drohung, gegen die Auflösung des Parlaments zu klagen, kann Schulz sein Schicksal nur noch verzögern. Mit ihm verlässt der letzte Bündnis-90-Politiker die Berliner Bühne - als Ritter von der traurigen Gestalt.

© SZ vom 23.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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