Porträt von Norbert Lammert:Nett im Umgang, hart in der Sache

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Der neue Bundestagspräsident gilt als ausgebufftes und altgedientes Parlaments-Schlachtross.

Hans-Jörg Heims

Im Berliner Parlamentsbetrieb gibt es kaum einen Politiker, der über die Bauernschläue eines Michael Glos verfügt. Der CSU-Landesgruppenchef, seit drei Jahrzehnten im Bundestag, kennt die Tricks und Raffinessen, wenn es darum geht, sich Einfluss zu verschaffen. Doch einem ist auch der mit allen Machtwassern gewaschene Glos stets mit Respekt begegnet: Norbert Lammert.

Wenn sich die Landesgruppenchefs zur so genannten "Teppichhändlerrunde" treffen, um Entscheidungen und Posten auszukungeln, vergewissert sich der Franke Glos vorher, welche Absichten der Strippenzieher der nordrhein-westfälischen Abgeordneten verfolgt.

Auch Lammert ist inzwischen ein altgedientes Parlaments-Schlachtross. Als Franz-Josef Strauß 1980 gegen Helmut Schmidt die Bundestagswahl verlor, errang der promovierte Sozialwissenschaftler aus Bochum erstmals ein Mandat. Von der Hinterbank im einstigen Bonner Bundestag hat es der 56-jährige nun auf die protokollarisch zweithöchste Position im Staat geschafft. Bundestagspräsident zu werden, daraus hat Lammert nie ein Hehl gemacht, war sein Wunschtraum.

Schelmenhafter Intellektueller

Anders als sein Vorgänger, der zuweilen etwas griesgrämig wirkende Wolfgang Thierse (SPD), bringt der Christdemokrat eine Portion Humor mit ins Amt. Früher habe er gern Orgel gespielt, wenn Freunde heirateten, erzählte der Hobbymusiker einmal. "Da bei Ehescheidungen die Orgel nicht mehr so dringend benötigt wird, haben die Gelegenheiten allerdings deutlich nachgelassen."

Das gelegentlich schelmenhafte ist die eine Seite. Wenn es allerdings um die Sache geht, kann der Vater von vier Kindern knallhart sein. Dies bekam während der CDU-Spendenaffäre der ehemalige Parteichef und im Umgang ebenfalls nicht zimperliche Wolfgang Schäuble zu spüren. Lammert war es, der Schäuble Anfang 2000 vom bevorstehenden Putsch der Fraktion unterrichtete, sollte dieser nicht zurück treten. Schäuble wusste, dass der Überbringer der schlechten Nachricht die Stimmung unter den Abgeordneten wie kaum ein Zweiter einzuschätzen vermag.

Auch in der nordrhein-westfälischen CDU besetzt Lammert als Chef der Christdemokraten im Ruhrgebiet einen der einflussreichsten Posten. Daran hat auch das schlechte Abschneiden der Ruhrgebiets-CDU bei der jüngsten Landtagswahl nichts geändert, bei der schwarz mit Ausnahme des Reviers zur dominierenden Farbe wurde. Dennoch setzte der Bezirkschef durch, dass Schlüsselpositionen mit Vertretern von der Ruhr besetzt wurden.

Neben Machtbewusstsein, politischer Erfahrung und Humor verfügt Lammert über die intellektuelle Liberalität, um das zur Überparteilichkeit verpflichtende Amt des Bundespräsidenten auszuüben. Im Streit etwa um das Berliner Holocaust-Mahnmal war es letztlich seiner Moderation zu verdanken, dass auch die Union dem Bauwerk zustimmte.

© SZ vom 19.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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