Porträt Bernhard Vogel:Ein Ministerpräsident der Rekorde

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Seit elf Jahren ist Bernhard Vogel thüringischer Ministerpräsident; zuvor regierte er zwölf Jahre lang Rheinland-Pfalz. Im Juni tritt der 70-Jährige zurück. Müde ist Vogel noch lange nicht, schließlich wird er als möglicher Nachfolger von Bundespräsident Johannes Rau (SPD) gehandelt.

"Der Übergang wird glücken", hatte der thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel noch im Dezember seinen Parteifreunden zugerufen. Auf dem Parteitag am Samstag in Gera, in dessen Zentrum eigentlich die Familienpolitik stehen sollte, sorgte Vogel mit der Ankündigung seines Rücktritts nach elfjähriger Amtszeit in Thüringen für einen Paukenschlag.

Bis zu diesem Zeitpunkt wussten nur zwei Menschen, wann der Staffelstab in Thüringen an den Nachfolger übergeben werden sollte: neben Vogel sein "Kronprinz" Dieter Althaus. Nicht einmal die engere Führung der CDU war eingeweiht.

"Ich fühle mich weder zu alt noch kränkele ich", sagte Vogel. "Im Gegenteil: ich fühle mich munter und frisch. Vorerst nehme ich es noch mit vielen Jüngeren auf." Doch das Land müsse rechtzeitig vor der nächsten Landtagswahl 2004 erfahren, dass sein Nachfolger Althaus die Zukunft meistern und Rot-Rot verhindern werde.

Thüringischer Landesvater

Bernhard Vogel hat sich einen Ruf als Landesvater gemacht. Er gilt auch als Ministerpräsident, dem die deutsche Einheit immer ein Herzensanliegen war. Als ihn 1992 der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl bat, nach Erfurt zu gehen, zögerte er nicht lange. Vogel wollte nach eigenen Angaben, "dass Thüringen wieder den Platz belegt, den es in Deutschland gehabt hätte, wenn wir nicht geteilt gewesen wären".

Auf einem Festakt zu seinem 70. Geburtstag im Dezember sagte der Junggeselle, dessen Politikerkarriere von keiner Affäre, keinem Skandal getrübt worden ist: "Kann man sich etwas Schöneres wünschen, als fast 40 Jahre lang Aufgaben wahrnehmen zu dürfen, wie sie mir anvertraut worden sind?"

Gerade in Zeiten wie diesen, in denen das Ansehen der Politiker als miserabel bezeichnet werden muss, wurde er nicht müde zu betonen, dass die Politik Dienst zu sein habe. "Politiker haben Diener zu sein".

Ministerpräsident der Rekorde

Seine Laufbahn hat Höhen und Tiefen aufzuweisen, wie es nur wenige von sich sagen können. Längst wurde er zum Ministerpräsident der Rekorde: Er ist der Regierungschef mit der längsten Amtszeit in der Geschichte der Bundesrepublik überhaupt und zugleich der einzige, der in zwei Bundesländern regieren konnte - erst in Rheinland-Pfalz und dann in Thüringen.

Zu den Rekorden gehören auch sieben siegreiche Landtagswahlen. Vier Mal war er in Rheinland-Pfalz zum Ministerpräsidenten gewählt worden, drei Mal in Thüringen. Und wenn er sein Amt nicht vorher an Althaus abgegeben hätte, wäre er zum dritten Mal Bundesratspräsident geworden, was wohl ebenfalls einen Rekord dargestellt hätte. Thüringen übernimmt am 1. November turnusmäßig für ein Jahr den Vorsitz in der Länderkammer, der Vogel unterdessen auch schon 35 Jahre angehört.

Einsatz für die neuen Länder

Eine besonders schwierige Situation für Vogel in Thüringen war der Konflikt um die Treuhand-Privatisierung in der Kaligrube Bischofferode. Deren Kumpel hatten mit wochenlangen Hungerstreiks für den Erhalt der Grube gekämpft und bundesweit für Aufsehen gesorgt. Auch Vogel vermochte die endgültige Werkstilllegung Anfang 1994 nicht zu verhindern.

Während seiner Regierungszeit wurde das Bundesarbeitsgericht von Kassel nach Erfurt verlegt. Sogar eine neue Universität konnte in der thüringischen Landeshauptstadt gegründet werden. Der Freistaat verzeichnet seit Jahren die geringste Arbeitslosigkeit aller neuen Bundesländer.

Vogels politische Gegner kritisieren allerdings, dass in Thüringen bundesweit die niedrigsten Löhne gezahlt würden und vor allem gut ausgebildete junge Menschen den Freistaat in Richtung Westdeutschland Altbundesländer verließen.

Immer wieder setzte sich Vogel für die Interessen der neuen Länder im Bund ein. 1998 hatte er eine Verlängerung der Förderung Ostdeutschlands über das Jahr 2004 hinaus verlangt, wobei es ihm vor allem um die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur zu tun war.

Mahner der Menschlichkeit

Bei der Trauerfeier nach dem Massaker am Erfurter Gutenberg-Gymnasium hatte Vogel hervorgehoben, dass Mitmenschlichkeit in Deutschland keine verloren gegangene Tugend sei. "Es gibt viel mehr Gemeinsamkeiten und Gemeinsinn in unserem Volk, als wir es noch vor einer Woche um diese Stunde für möglich gehalten haben", sagte er vor 100.000 Menschen auf dem Erfurter Domplatz.

Möglicherweise ist diese Haltung auch ein Grund dafür, dass Vogels Name in der Diskussion um die Kandidatur für das Bundespräsidentenamt in CDU-Kreisen in letzter Zeit immer häufiger genannt wird.

(sueddeutsche.de/AP)

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