Populismus vor der hessischen Landtagswahl:Die Sorgen mit der Politreligion Islam

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Am Stammtisch mit der CDU: Wie sich im hessischen Wahlkampf der Ton geändert hat.

Jürgen Maier

"Allah hat uns zu Schweinen und Affen gemacht", schimpft ein Rentner im Hinterzimmer eines Gasthauses im Frankfurter Stadtteil Hausen. Ein anderer Bürger ärgert sich über CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth, weil sie gegen einen NPD-Aufmarsch demonstriert hat. Und der Hauptredner des Abends, Dr. Christean Wagner, ruft zur Gegenoffensive gegen den Islam auf: "Wir wollen nicht den Eindruck haben, als ob wir unterwandert werden hier in unserem Vaterland - das ist die zentrale Botschaft, für die wir kämpfen."

Der Chef der CDU-Landtagsfraktion in Hessen, Christean Wagner (Archivbild) (Foto: Foto: dpa)

Die Rhetorik an diesem Abend ist ganz deutlich. Hier wird mit Ressentiments gespielt, hier werden Ängste geweckt und Vorurteile gepflegt. Redner und Bürger sind sich einig. Da wird nicht widersprochen. Das klingt nach ultrarechtem Stammtisch, ist aber Landtagswahlkampf der hessischen CDU.

Der Hauptredner Dr. Wagner ist Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, ehemaliger Justiz- und Kultusminister. Seine Aussagen werden von den Partei-Anhängern gefeiert: "Wer zu uns ,Scheiß Deutsche' sagt, der hat hier nichts mehr verloren." Sein Thema ist an diesem Abend der Islam und die Integration. Eingeladen hat der CDU-Landtagsabgeordnete Ulrich Caspar. Er bemüht sich um seine Wiederwahl in einem Frankfurter Bezirk, zu dem Hausen gehört. In dem Stadtteil mit knapp 7000 Einwohnern stehen zwei Moscheen, eine dritte ist geplant. Ob der Bau genehmigt werden soll, ist ein Reizthema.

Arm in Arm mit so einem Herrn

Es hat sich eine "Bürger-Initiative gegen den Bau einer dritten Moschee in Hausen" formiert, die im Internet unter dem Namen "Pro Frankfurt" firmiert. Das erinnert an die Moschee-Gegner von "Pro Köln" und "Pro München". Sie werden vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft, während sich die Frankfurter von rechtsextremen Parteien distanzieren. Den Landespolitikern der CDU sind die Moschee-Gegner willkommen, rund 70 sind gekommen.

CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth befürwortet den Bau der Moschee und handelt sich damit den Unmut der Basis ein. Der CDU-Chef im zuständigen Ortsbeirat, Dr. Oliver Kroneisen, formuliert die Kritik so: "Es tut den Bürgern hier in Hausen, aber auch manchen unserer Mitglieder dann durchaus weh, wenn die Oberbürgermeisterin in Frankfurt mit so einem Herrn Arm in Arm bei einer Gegendemonstration durch den Stadtteil geht."

So ein Herr? Gemeint ist Ünal Kaymakci, ein Rechtsanwalt, der zur Hazrat-Fatima-Gemeinde gehört, welche die Moschee in Hausen bauen will.

Gastgeber Caspar sagt: "Ich bin insbesondere der Bürger-Initiative in Hausen dankbar dafür, dass Sie dieses Thema immer wieder auch in der Öffentlichkeit behandelt haben. Wir sehen, dass es notwendig ist, hier auch politisch zu handeln." Die Initiative darf bei der CDU-Veranstaltung sogar kleine Plakate an die Wand hängen, die beispielsweise eine rot durchgestrichene Moschee zeigen.

Auf dem Büchertisch finden sich "Wahlprüfsteine ,Islam und Islamisierung'". Das sind Fragen, mit denen Politiker konfrontiert werden sollen. Ein Beispiel: "Halten Sie Artikel 4 des Grundgesetzes (Religionsfreiheit) für anwendbar auf die Politreligion Islam?"

Politreligion Islam? Im Oktober 2007 hat der Frankfurter Sicherheits- und Ordnungsdezernent Boris Rhein eine NPD-Demonstration unter dem Motto "Stoppt die Islamisierung Deutschlands - keine Großmoschee in Frankfurt-Hausen" verboten. Begründung: "Es erfolgt keine Differenzierung zwischen dem Islam als grundsätzlich friedfertige Religion und dem Islamismus als heterogene, politische zumeist sozialrevolutionäre Bewegung, die bei militanten Anhängern eine gewalttätige Ausrichtung annehmen kann. Die Muslime in Deutschland, die ihre durch Artikel 4 Grundgesetz geschützte Religion friedlich ausüben, werden durch diese Gleichstellung in unerträglicher Weise diffamiert."

Frieden im Stadtteil

Bei der Wahlkampf-Veranstaltung in Hausen konfrontiert ein Bürger die CDU-Politiker mit der Aussage: "Der Islam ist für mich keine Religion." Landtagsfraktions-Chef Wagner widerspricht nicht. Er antwortet: "Ich habe nur gelernt, dass eine Moschee offenbar keine Kirche ist. Das ist ein politisches und Kultur-Zentrum." Ein paar Sätze später sagt er: "Das ist ja zum Schluss kein Hausener Problem, das ist ein weltweites Problem der Auseinandersetzung zwischen Islam und Christentum."

Er zitiert den ehemaligen Limburger Bischof Franz Kamphaus folgendermaßen: "Und dann fällt weltweit auf, dass der internationale Terrorismus in der Regel von Islamisten bestückt wird und nicht von anderen Religionen und insbesondere nicht von Christen." Die Hausener Bürger haben Angst. Einer sagt: "Hier laufen vermummte Damen rum, die wirklich verschleiert sind bis zum Abwinken. Hier laufen Männer rum mit Bart, die uns als Bürger nicht wahrnehmen." Christean Wagner erwidert: "Ich kann Ihre Sorgen nachvollziehen. Ausdrücklich."

Haben die Bürger etwa mit den bestehenden Moscheen schlechte Erfahrung gemacht? Landtagsabgeordneter Caspar berichtet: "Es gibt überhaupt keine Probleme mit einer Moschee, die sich hier in unmittelbarer Nachbarschaft befindet. Und es gibt auch keine Probleme mit einer iranischen Moschee, die sich einige Meter weiter befindet." Die dritte Moschee sieht er hingegen "als etwas sehr Problematisches an, weil wir natürlich Integration wollen und keine Ghetto-Bildung".

Wer Caspars Argumentation folgt, muss allerdings nicht befürchten, dass die Besucher der dritten Moschee alle nach Hausen ziehen: "Bei Kirchen haben wir 90 Prozent fußläufige Besucher. Bei Moscheen haben wir zum größten Teil 90 Prozent, die mit dem Auto anreisen." Die Moschee würde ein Parkplatz-Problem verursachen, wie der Landtagsabgeordnete erklärt.

Er will deshalb die hessische Bauordnung ändern, "weil meiner Ansicht nach die Kriterien für die Baumaßnahmen von Moscheen andere sein müssen als von Kirchen". Fraktions-Chef Wagner gibt zu bedenken: "Diese Angelegenheit ist doch zum Schluss ein Vorwand. Jetzt stellen Sie sich mal vor, dieser Stellplatz-Nachweis würde gelingen. Dann würde das Problem doch bleiben."

Ulrich Casper erklärt den Bürgern vorsorglich den Klage-Weg gegen die Moschee - und, dass "die letzte Instanz der Petitions-Ausschuss des Hessischen Landtages" ist. Er kenne viele Fälle, wie dort zum Beispiel bei Abschiebungen "politisch sehr unterschiedlich abgestimmt wird".

CDU-Fraktions-Chef Wagner betont: "Wenn die Gesetzeslage das hergibt, wird abgeschoben." Und: "Wenn wir eine absolute Mehrheit hätten, würden wir uns da sehr viel klarer auch gesetzgeberisch entscheiden" - im Bundestag. Denn: "Ich bin massiv der Überzeugung, dass auch jemand, der uns als Volk beschimpft, wie in allen Ländern der Welt sofort abgeschoben wird."

Seine Frau berichte ihm regelmäßig, sagt Wagner, dass sie schon zwischen sieben und acht Uhr abends Angst habe, wenn sie in Frankfurt in der 1. Klasse S- und U-Bahn fahre. "Sie sagt mir, da kommen bedrohlich aussehende, gewalttätig aussehende Jugendliche." Er erzählt weiter, dass sich diese Jugendlichen daneben benähmen und häufig kein Ticket dabei hätten. Und in diesen Situationen habe seine Frau "Angst, jetzt Opfer zu werden". Das sei das Gefühl von vielen im Großraum Frankfurt.

Gereizte Stimmung, große Wut

"Was mir auffällt", sagt ein Bürger: "Dass Sie genau das sagen, was uns alle bewegt, was wir vertreten." Wagners Aussagen stünden aber "in diametralem Gegensatz zu dem, was die Frankfurter CDU-Stadtpolitik ist". Wagner versucht zu beschwichtigen: "Als Landespolitiker habe ich das, was ich hier vorgetragen habe, gesagt, als Ausdruck der Meinung der gesamten CDU-Fraktion. Da sind wir uns einig. Da gibt es nicht etwa eine Minderheit und eine Mehrheit. In diesen Thesen, in diesen Überzeugungen sind wir uns einig. So."

Ein Zuhörer will wissen, ob die Oberbürgermeisterin Petra Roth aus der CDU ausgeschlossen werden kann, weil "die ja jetzt deutlich links abdriftet"? In den heftigen Beifall mischt sich das hämische Gelächter einiger Moschee-Gegner.

Die Stimmung ist gereizt, die Wut über die Moschee-Pläne und die Oberbürgermeisterin groß. Über Petra Roth wollte Wagner aber "nicht in aller Öffentlichkeit" sagen: "Diese unmögliche Oberbürgermeisterin." Er könne aber das Gespräch mit ihr suchen und ihr von den Mitbürgern und Mandatsträgern der CDU berichten, die sich ihm gegenüber "sehr eindrucksvoll besorgt artikuliert" hätten.

Christean Wagner spricht sein Schlusswort: "Es geht um den Frieden hier in diesem Stadtteil. So. Mehr habe ich nicht zu sagen."

© SZ vom 25.01.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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