Populismus:Angst vor dem Abstieg

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Wähler der AfD sorgen sich oft um ihre Zukunft - das betrifft selbst Gutverdiener, die ihre Aussichten pessimistisch einschätzen. Vor allem die Sorge vor dem sozialen Abstieg bringt die Menschen dazu, AfD zu wählen. Das zeigt eine neue Studie.

Von Markus Schulte von Drach, München

Rechtspopulisten werden häufig von Menschen gewählt, die sich gesellschaftlich abgehängt fühlen, ohne selbst arm zu sein: AfD-Wähler ordnen sich unabhängig von ihrem tatsächlichen Einkommen in der Gesellschaft niedrig ein und erlebten im Vergleich zu den Eltern einen sozialen Abstieg, wie es in einer am Mittwoch von der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung vorgelegten Studie heißt. "Menschen, die AfD wählen oder es in Erwägung ziehen, befinden sich somit überwiegend nicht in einer finanziell prekären Situation, aber sie fühlen sich vor möglichen Krisen in der Zukunft nicht ausreichend geschützt", heißt es in der Studie.

Wie die Wissenschaftler berichten, spielt vor allem das subjektive Gefühl eines Abstiegs im Vergleich zur älteren Generation und eines drohenden weiteren Abstiegs eine wichtige Rolle - und dass die Betroffenen sich durch die Politik nicht ausreichend geschützt fühlen. Exemplarisch zeigen die Wissenschaftler das am Beispiel Arbeitslosigkeit. Diese führt nicht dazu, dass jemand eher die Rechtspopulisten wählt. Signifikant häufiger würden aber Menschen die AfD wählen, wenn sie davon ausgehen, dass sie keinen neuen Job finden, sollten sie entlassen werden. Ausnahme: Gewerkschaftsmitglieder.

Wer ohne Tarifvertrag befristet beschäftigt ist, neigt besonders dazu, Rechtspopulisten zu wählen

Etwa 56 Prozent der Befragten sehen ihre finanzielle Situation sogar positiv, und etwas mehr als die Hälfte schaut mit Zuversicht in die eigene Zukunft. Ein Drittel aller Befragten betrachtet sich selbst gegenwärtig als "Gewinner". Aber immerhin 27 Prozent halten sich für Verlierer. Unter Wählern der AfD sind es sogar 41 Prozent.

Das ist besonders unter Menschen mit einfacher und mittlerer Bildung der Fall, sowie bei jenen mit einem Einkommen bis 2500 Euro netto. Allerdings haben die Forscher festgestellt, dass auch die oberen Einkommensgruppen mit mehr als 4000 Euro netto pro Monat signifikant häufiger AfD wählen würden als jene mit einem Einkommen zwischen 2500 und unter 4000 Euro. Die Bereitschaft, AfD zu wählen, ist den Wissenschaftlern zufolge also in der unteren Mittelschicht und außerdem unter Arbeitern am größten, "allerdings sind es keinesfalls ausschließlich die ,sozial Abgehängten', die die AfD wählen beziehungsweise zum Wählerpotenzial gehören".

67 Prozent der Befragten halten Deutschland für demokratisch, und 68 sehen die Meinungsfreiheit noch gewahrt. Unter AfD-Anhängern waren das allerdings nur 40 respektive 38 Prozent. 60 Prozent aller Befragten sagen, in Deutschland gebe es nur noch ein "Oben" und "Unten", bei AfD-Wählern sehen das sogar 76 Prozent so. Und dass die Gesellschaft immer weiter auseinandertreibe befürchten 53 Prozent insgesamt und 74 Prozent der AfD-Anhänger.

Um herauszufinden, wie sich die Zustimmung zu Rechten aufhalten lässt, haben sich die Forscher eine besonders betroffene Untergruppe angeschaut. Jene mit einem Einkommen von bis zu 2499 Euro und maximal mittlerer Reife, die außerdem angegeben hatten, was mit ihnen passiere, werde irgendwo draußen in der Welt entschieden. Ohne Tarifvertrag und mit befristeter Beschäftigung neigten diese besonders häufig dazu, AfD zu wählen. Den Forschern zufolge belegt diese Beobachtung, dass gerade in der unteren Mittelschicht Unsicherheitsfaktoren am Arbeitsplatz und mangelnder tarifvertraglicher Schutz "treibende Faktoren für die AfD-Wahl sind".

© SZ vom 10.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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