Popetown:Auch wir können beleidigt sein!

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Nach dem Karikaturenstreit reagieren jetzt die christlichen Kirchen empört - auf eine TV-Serie. Selbst besonnene Kardinäle zeigen sich tief getroffen. Doch dafür besteht gar kein Anlass.

Matthias Drobinski

Ein Jahr musste 1895 Oskar Panizza ins Gefängnis, wegen "Vergehens gegen die Religion". In seinem Stück "Das Liebeskonzil" hatte er einen tattrigen Gottvater, einen infantilen Jesus und eine intrigante Maria eine Krankheit erfinden lassen, um den sündigen Papst und seinen sittenlosen Hof zu strafen: die Syphilis.

Es war ziemlich riskant, mit der Kirche und der Religion solche Scherze zu treiben. Mit dem Risiko ist im Lauf der Jahre auch das Niveau der Scherze gesunken.

2006 soll auf dem Musiksender MTV ein durchgeknallter Papst durch die Zeichentrickwelt Popetown hüpfen, assistiert von einem dummen Priester und einer naiven Nonne, ferngesteuert von drei verbrecherischen Kardinälen. Haha. Trash war schon mal lustiger.

Das Muster des Konflikts, der sich um die Serie entzündet hat, ist nicht neu: Jedem Spaßmacher, dem nichts einfällt, bleibt die katholische Kirche, die immer für ein Witzlein gut ist. Vielleicht regt sich noch ein Bischof auf, dann wird dieses Witzlein zur Fackel der Aufklärung - die Quote ist garantiert.

Die Katholiken - immer gut für ein Späßchen

Es ist aber meist wie im Fall von Popetown: Das Werk ist, abgesehen vielleicht von der zurückgezogenen Werbung mit dem vom Kreuz gestiegenen Jesus, nicht blasphemisch. Es ist aber auch nicht jene Kunst, zu der es seine Verteidiger machen wollen.

Trotzdem ist etwas anders geworden. 2002 hat der österreichische Karikaturist Gerhard Haderer Jesus über den See Genezareth surfen lassen, zur Empörung vieler Katholiken. Doch in Deutschland schwiegen die Vertreter der großen Kirchen; die Aufregung lohnt nicht, sagte man sich. Nun aber rollt eine Welle des Protests durch Europa.

Selbst so besonnene Männer wie der katholische Kardinal Karl Lehmann und der evangelische Ratsvorsitzende Wolfgang Huber zeigen sich tief getroffen. In England ist die Serie abgesetzt, in Deutschland wird zunächst nur eine Folge ausgestrahlt.

CDU fordert bereits Gesetzesänderungen

Schon fordern Unionspolitiker, Bayerns Ministerpräsident Stoiber an der Spitze, die Änderung des Gotteslästerungs-Paragrafen, als bedrohe Popetown das Abendland und das Privatfernsehen, das seine kulturelle Kompetenz jeden Abend mit Gewaltfilmen und "ruf-an-ruf-an" stöhnenden Frauen unter Beweis stellt.

Zwischen Haderer und Popetown liegt der Streit um die Mohammed-Karikaturen; er liefert die tiefere Erklärung für die Empörung der Christen. Auch wir können beleidigt sein, wenn es um den Glauben geht, lautet die Botschaft.

Auch wir können uns wehren und unsere Anliegen offensiv vertreten. Die MTV-Serie ist mehr Anlass als Ursache der Proteste. In der Wirtschaft nennt man diesen Vorgang benchmarking: Man ahmt den erfolgreichen Mitbewerber nach.

Wegen Popetown werden keine Botschaften brennen - und doch haben die Proteste eine Entgrenzungstendenz: Beleidigt und verletzt kann man immer sein, wenn einem die Tendenz nicht gefällt. Dies wäre bedenklicher als eine schlechte Satire. Denn Satire darf schlecht sein. Dafür gibt es den Ausknopf am Fernseher.

© SZ vom 27.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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