Pollen & Co:Allergien im Zangengriff

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Wirksam gegen Heuschnupfen und Insektenstiche vorbeugen - mit gentechnisch verändertem Pollenextrakt.

Von Christian Stöcker

Für viele Deutsche ist die warme Jahreszeit eine Qual. Zwölf Millionen Menschen leiden hierzulande an Heuschnupfen, etwa vier Millionen reagieren allergisch auf Insektenstiche. Für beide Gruppen haben Ärzte nun gute Nachrichten: Ein internationales Forscherteam um Rudolf Valenta vom Allgemeinen Krankenhaus in Wien hat erstmals mit gentechnisch verändertem Pollenextrakt erfolgreich Heuschnupfenpatienten behandelt. Und Insektenstich-Allergiker können sich darüber freuen, dass die traditionelle Immunisierung per Spritze offenbar länger wirkt als angenommen.

Die als "Hyposensibilisierung" bekannte Impfung gegen Insektengift ist langwierig, aufwändig und kann Nebenwirkungen haben. Zunächst bekommen die Patienten in der Klinik mehrmals täglich Spritzen mit einem Gift-Extrakt. Später muss die Impfung so lange aufgefrischt werden, bis der Körper sich die (im schlimmsten Fall lebensbedrohliche) Reaktion auf die Insekten abgewöhnt hat.

Völlig neue Impfstrategien

Wie Forscher um David Golden von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore zeigten, sind Patienten dafür aber noch zehn bis zwanzig Jahre später vor allergischen Reaktionen geschützt, wenn sie als Kinder eine Hyposensibilisierung bekommen hatten. Nur drei Prozent der Behandelten reagierten später wieder allergisch auf einen Stich, in einer unbehandelten Vergleichsgruppe waren es 17 Prozent (New England Journal of Medicine, Bd. 351, S. 668, 2004).

Trotz des unerwarteten Erfolgs dieser traditionellen Methode der Allergie-Impfung arbeiten andere Forscher an völlig neuen Impfstrategien. So ist Rudolf Valenta vom Allgemeinen Krankenhaus Wien seit Jahren damit beschäftigt, die reinen Allergieauslöser (Allergene) aus Pollen, Milben und Tierhaaren zu isolieren. Jetzt hat sein Team die so gewonnenen Allergen-Moleküle der Birkenpollen derart verändert, dass schädliche Wirkungen ausbleiben.

"Ein bisschen Dreck ist gut"

Zur Behandlung lassen sich die gentechnisch entschärften Allergene aber dennoch nutzen, wie eine Studie mit 124Heuschnupfenpatienten zeigt: Es wurden nicht nur die typischen Symptome reduziert, sondern es wurde auch die Bildung der Allergie auslösenden Antikörper gebremst (PNAS online). "Ähnliche Stoffe gegen Gräser-, Milben- und Tierhaarallergien sind in Vorbereitung", sagt Valenta. Er hofft, die Designer-Allergene künftig sogar als vorbeugenden und längerfristig wirksamen Impfstoff einsetzen zu können.

"Der Ansatz ist innovativ", lobt Harald Renz, Allergologe an der Universität Marburg. Die Hoffung auf eine Allergie-Impfung hält er aber noch für "Spekulation". Auch die natürliche Stärkung des Immunsystems durch gesunden Kontakt mit der Umwelt solle man nicht vernachlässigen, betont er: "Ein bisschen Dreck ist gut."

© SZ vom 17.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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