Politskandal in Spanien:Kleiner Mann im Größenwahn

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Frank Sinatra, Mutter Teresa und Nelson Mandela wurden mit der Goldmedaille des US-Kongresses ausgezeichnet. Zu diesem Kreis wollte Spaniens ehemaliger Regierungschef Aznar auch gehören. Er bewarb sich mit Steuergeld um den Verdienstorden. Die Bürger sind empört.

Von Peter Burghardt

Wem die Goldmedaille des US-Kongresses verliehen wird, der gehört zu einer erlesenen Gesellschaft. Erster Empfänger war 1776 George Washington, in der jüngeren Vergangenheit bekamen die Auszeichnung unter anderem John Wayne, Frank Sinatra, Mutter Teresa, Nelson Mandela, Papst Johannes Paul II. sowie Ronald und Nancy Reagan.

Auch ein Spanier will den Orden unbedingt haben, er fühlt sich offenbar zugehörig zur Liste amerikanischer Volkshelden: Jose Maria Aznar, zwischen 1996 und 2004 Ministerpräsident in Madrid. Die Initiative für seine Person ist nun allerdings etwas beeinträchtigt worden.

Spanien ist verblüfft

Wie der Radiosender Cadena Ser nun enthüllt hat, hat die Regierung Aznar im Dezember 2003 für zwei Millionen Dollar die bekannte Kanzlei Piper Rudnick beauftragt, Stimmung für Spanien und seinen Premier zu machen. Teure Lobbyarbeit gehört in den USA zwar dazu - ungewöhnlich jedoch ist, dass eine Nation Steuergelder für den Ruhm ihres obersten Politikers aufwendet.

In den Verträgen steht ausdrücklich, dass Aznar als Kandidat für die besagte Ehrenplakette angepriesen werden und für die Errungenschaften seiner Amtszeit geworben werden soll. Außerdem halfen die PR-Strategen bei seinem Auftritt im Abgeordnetenhaus von Washington: Aznar hielt dort am 4.Februar eine Rede, wobei die zahlreichen freien Plätze mit Studenten und Touristen aufgefüllt wurden.

Spanien ist verblüfft. Gerade erst hatte Aznar geprahlt, er sei im Besitz der Geheimdienst-Papiere über die Madrider Terroranschläge vom 11.März, über deren parteipolitische Verwicklungen eine Parlamentarische Untersuchungskommission streitet. Jetzt das. Es sei "öffentliches Geld verschwendet" worden, um "die Kriegsmedaille" zu bekommen, wettert Sozialistensprecher Jose Blanco; Aznar hatte den Angriff auf den Irak mit Verve unterstützt und sich damit bei George W. Bush wesentlich beliebter gemacht als bei seinen Landsleuten.

Offenbar Größenwahn, schreibt El Mundo

Die Vereinten Linken fordern sogar strafrechtliche Ermittlungen. Selbst konservative Kommentatoren sind entsetzt. Der frühere Regierungschef sei offenbar den Versuchungen des Größenwahns erlegen, schreibt die Tageszeitung El Mundo.

Der Betroffene lässt wie üblich keinerlei Reue erkennen. Er wittert eine Verschwörung der Sozialisten und ihnen nahe stehender Medien. "Sie wollen meine Ehrenhaftigkeit beflecken", erklärte Aznar in Mexiko, wo er für seine Memoiren ("Acht Jahre Regierung. Eine persönliche Vision Spaniens") Reklame macht. "Ich habe nichts abzustreiten und nichts zuzugeben." Er verachte die Ankläger.

Seine Volkspartei PP wirft den Sozialisten vor, Aznar lynchen zu wollen. Die für die Medaille nötigen Unterschriften im US-Repräsentantenhaus, 290 an der Zahl, soll Aznar übrigens beisammen haben, die im US-Senat noch nicht.

© SZ vom 24.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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