Politbarometer: Die Stimmung im März:Rücktritt? Ach, nö.

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Die Deutschen freunden sich immer mehr mit einer großen Koalition an, fürchten nichts mehr als die Arbeitslosigkeit und wollen trotz allem ihren Außenminister noch ein bisschen behalten.

Die SPD erreicht in der politischen Stimmung bei Verlusten von 3 Prozentpunkten jetzt 29 Prozent. Die CDU/CSU kann sich geringfügig auf 45 Prozent verbessern (+1). Nach den Einbußen im Februar kommen die Grünen jetzt wieder auf 12 (+2) Prozent. Die FDP erreicht konstant 6, die PDS 3 Prozent.

Kennen diese Herren den Ausweg aus der Wirtschaftskrise? Außenminister Fischer und Kanzler Schröder bei einer Pressekonferenz. (Foto: Foto: ddp)

Wäre am nächsten Sonntag wirklich Bundestagswahl, läge Schwarz-Gelb wie im Februar bei 48 Prozent und Rot-Grün bei 41 Prozent. Die SPD erreicht nur noch 31 (-1); die Grünen legen wieder auf 10 Prozent (+1) zu. Die CDU/CSU verbessert sich um einen Punkt auf 42 Prozent; Einbußen muss dagegen die FDP hinnehmen, die nun auf 6 Prozent (-1) kommt.

Nur 34 Prozent finden es wichtig, wer an der Regierung sitzt

Konstant ist die PDS mit 5 Prozent. Union und FDP hätten also weiterhin eine Mehrheit im Parlament. Die Zufriedenheit der Bürger mit der Arbeit der rot-grünen Regierung ist im März deutlich gesunken und fällt geringer aus als im gesamten vergangenen halben Jahr. Die gemeinsame Arbeit der Koalition wird nun auf der +5/-5-Skala ("sehr zufrieden" bis "sehr unzufrieden") mit -1,0 beurteilt.

Von der zunehmenden Unzufriedenheit sind beide Koalitionspartner gleichermaßen betroffen: Die Einzelleistungen der SPD werden nur noch mit -0,6, die der Grünen mit -1,2 eingestuft. Einen Durchschnittswert im Minusbereich der Skala (-0,2) erhält aber auch weiterhin die CDU/CSU für ihre Arbeit in der Opposition. Die Leistungen der FDP werden jetzt nur noch mit -0,7 beurteilt.

Gegenüber Januar ist die Zahl derer, die sagen, es mache für sie persönlich einen großen Unterschied, wer im Bund regiert, erheblich gesunken: Dieser Meinung schließen sich jetzt nur noch 34 Prozent an. Von einer nicht so großen Relevanz, was die Besetzung der Regierungsbank anbelangt, sprechen ebenfalls 34 Prozent, und deutlich mehr der wahlberechtigten Deutschen (29 Prozent) als vor zwei Monaten zeigen sich in dieser Frage indifferent.

Bei der Frage, welche Koalitionsregierung die Bürger präferieren, falls nach der nächsten Bundestagswahl keine Partei alleine regieren kann, hat eine große Koalition aus SPD und CDU/CSU deutlich aufgeholt. Mit jetzt 24 Prozent plädieren mehr Befragte für ein solches Bündnis als bei allen Politbarometer-Umfragen in den zurückliegenden 18 Monaten.

Trend zur großen Koalition

Diese Entwicklung entspricht einem bekannten Phänomen: Immer wenn die Probleme als besonders drückend empfunden werden, wächst der Wunsch nach einer großen Koalition. Einer Regierung aus Union und Liberalen geben jetzt 22 Prozent den Vorzug, und nur noch 19 Prozent sprechen sich für Rot-Grün aus.

Die Stimmung gegenüber den nach Meinung der Befragten zehn wichtigsten Politikerinnen und Politikern im Land zeigt aktuell im Wesentlichen zwei Trends: Die Spitzenpolitiker der Union werden mit Ausnahme von Friedrich Merz besser als im Vormonat bewertet; die Imagewerte für die Politiker der Regierungskoalition fallen auf der +5/-5-Skala dagegen nochmals schlechter aus als im Februar, nur der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering erhält eine unveränderte Note.

Nach der Übernahme des Spitzenplatzes im Februar belegt der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) mit einer verbesserten Beurteilung (1,2) erneut Platz eins. Allerdings konnten 41Prozent aller Befragten diesen Politiker wegen mangelnder Bekanntheit nicht beurteilen. Auf Position zwei folgt - mit weiteren Einbußen - Außenminister Joschka Fischer (0,6).

Sowohl im Rang als auch in der Note ist es für die CDU-Vorsitzende Angela Merkel leicht nach oben gegangen (0,4), verloren hat dagegen der CDU-Politiker Friedrich Merz (0,4), der aufgrund der schlechteren Beurteilung durch die eigenen Anhänger den Platz hinter Merkel einnimmt. Zum dritten Mal in Folge muss Bundeskanzler Gerhard Schröder Einbußen hinnehmen (0,2).

Edmund Stoiber ist eine Null-Komma-Null

Nach einer negativen Bewertung Ende Februar wird der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber jetzt mit 0,0 beurteilt. Einen Durchschnittswert von 0,0 erhält auch Arbeits- und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, der seit Ende Januar kontinuierlich schlechter benotet wird. Mit einer unveränderten Note im Minusbereich wird der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering (-0,2) eingestuft.

Der FDP-Chef Guido Westerwelle hat mit -0,6 weiter an Popularität eingebüßt, und auch das Ansehen des Finanzministers Hans Eichel, der Nummer zehn auf der Rangliste, hat nochmals gelitten (-0,8).

Nur einmal seit der Wiedervereinigung (Februar 1998: 91 Prozent) und zum ersten Mal seit der Regierungsübernahme durch die rot-grüne Koalition 1998 war für die Befragten des Politbarometers das Thema Arbeitslosigkeit mit aktuell 90 Prozent ein so drängendes Thema wie zur Zeit. Auf Rang zwei folgt bei der Frage nach dem wichtigsten Problem in Deutschland die momentane Wirtschaftslage (12 Prozent).

Darüber hinaus werden der Politikverdruss und die diversen Affären (10), das Thema Rente und Alterssicherung (9), das Gesundheitswesen und die Pflege (8) sowie der Bereich Bildung und Schule (7) genannt. Auf den hinteren Plätzen landen die Entwicklung der Kosten, Preise und Löhne (4), das soziale Gefälle (4), Probleme um Familie, Jugend und Kinder (4) sowie das Thema Ausländer und Asyl (4 Prozent).

Zu der herausragenden Relevanz des Themas Arbeitslosigkeit kommt hinzu, dass nur 13Prozent glauben, eine Lösung dieses Problems werde in den nächsten Jahren gelingen. Eher gering waren die Hoffnungen der Bürgerinnen und Bürger, was den Ausgang des Job-Gipfels am vergangenen Donnerstag betrifft: Vor dem Treffen im Kanzleramt rechnete die Mehrheit von 67Prozent damit, dass es dabei in wichtigen Fragen zu keiner Einigung kommen werde.

17 Prozent sind zufrieden

Den eher geringen Erwartungen entspricht - genau zwei Jahre nach der Rede des Bundeskanzlers zur Agenda 2010 - auch das Urteil der Bevölkerung über die Bemühungen der rot-grünen Koalition: Nur 17 Prozent meinen, die Regierung tue genug im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.

Mit der anhaltenden Thematisierung in den Medien und dem Bekanntwerden weiterer Details in der so genannten Visa-Affäre unterstreichen inzwischen mehr Befragte (47 Prozent) als noch im Februar (42 Prozent) die persönliche Schuld des Außenministers Joschka Fischer am Missbrauch des Visa-Verfahrens insbesondere in der deutschen Botschaft in Kiew.

38 Prozent meinen, der Außenminister sei nicht persönlich für die Missstände verantwortlich. 15 Prozent haben nichts von den Geschehnissen gehört oder trauen sich kein Urteil zu. Trotz der inzwischen mehrheitlich vorherrschenden Meinung der persönlichen Verantwortung Joschka Fischers halten nur 23 Prozent einen Rücktritt vom Amt des Außenministers für notwendig.

Fast zwei Drittel der Wahlberechtigten (64 Prozent) meinen, Fischer sollte weiter Außenminister bleiben. Auch in den Reihen der Unions- und FDP-Anhänger findet sich keine Mehrheit für eine Rücktrittsforderung.

© SZ vom 19.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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