Polen:"Regierungspolitiker stacheln Rechte gegen Homosexuelle auf"

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Wenn die Grünen-Politiker Beck, Roth und Künast am Samstag an einer Gleichheitsparade in Warschau teilnehmen, sind sie einigen polnischen Kollegen nicht willkommen. "Wenn sie ein paar Knüppel abbekommen, kommen sie nicht wieder", erklärte etwa der stellvertretende Vorsitzenden der polnischen Regierungspartei LPR.

"Wenn sie ein paar Knüppel abbekommen, kommen sie nicht wieder." Gemeint waren deutsche Grünen-Politiker, die sich für die Rechte Homosexueller in Polen einsetzen wollen.

Volker Beck unterstützt Homosexuellenbewegungen im Ausland. (Foto: Foto: dpa)

Und gesagt hat diesen Satz ein führender Politiker der polnischen Regierungspartei Liga Polnische Familie (LPR), der Abgeordneten Wojciech Wierzejski.

Den Wortlaut der Empfehlung hat der Konservative inzwischen zurückgezogen. Seine Haltung gegenüber Homosexuellen aber ist klar. Für den stellvertretenden Vorsitzenden der LPR sind sie "Feiglinge" und "Perverse".

Grüne in Warschau

Dass am Samstag trotz seiner Forderung nach einem Demonstrationsverbot Homosexuelle in Warschau für Gleichberechtigung auf die Straße gehen werden, passt ihm nicht - und noch weniger gefällt ihm, dass Politiker wie Volker Beck, Claudia Roth und Renate Künast an der Demonstration zum Christopher Street Day teilnehmen wollen.

Zum ersten Mal seit zwei Jahren können Homosexuelle bei der Gleichberechtigungsparade in Warschau wieder legal auf die Straße gehen. Doch die Angst ist groß, dass es zu Zusammenstößen mit Skinheads und andere Rechtsextreme kommt.

Die hatten in den letzten Jahren wiederholt Steine auf die Teilnehmer der schwul-lesbischen Parade geworfen und regelrecht Jagd auf Homosexuelle gemacht.

Und "die gewaltbereiten rechtsradikalen und religiös-fundamentalistischen Gruppen sind durch die Hetzparolen polnischer Regierungspolitiker aufgestachelt", kritisierten die Grünen.

Beck fordert von der polnischen Regierung deshalb stärkere Maßnahmen zum Schutz von Homosexuellen. "Gerade aus der Regierungskoalition in Polen gibt es massive Angriffe auf die Rechte von Lesben und Schwulen", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bayerischen Rundfunk.

Große Hoffnung darf man sich jedoch nicht machen. Viele Schwule und Lesben haben vielmehr den Eindruck, dass sich das Klima für sexuellen Minderheiten in Polen verschlechtert hat, seit die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an der Regierung ist.

Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz von der PiS selbst nannte Homosexualität in einem Presseinterview "nicht natürlich". Der Staat, so Marcinkiewicz, müsse einschreiten, wenn jemand andere damit anstecken wolle.

Und Staatspräsident Lech Kaczynski verbot schon in seiner Zeit als Warschauer Bürgermeister zwei Jahre lang die Gleichheitsparaden, die seit 2001 in Warschau stattfanden.

Ende Mai war Volker Beck selbst bei einer nicht genehmigten Homosexuellen- Demonstration in Moskau von einem Stein getroffen und durch den Faustschlag eines offenbar rechtsextremen Mannes verletzt worden.

Kritik an europäischen Regierungen

Der Grünen-Politiker kritisierte die Bundesregierung und die europäischen Regierungen, die sich im Gegensatz zu Europarat und Europaparlament vor klaren Stellungsnahmen gegen die Diskriminierung Homosexueller in osteuropäischen Staaten scheuten. "Insgesamt geht die Zurückhaltung der Regierungen ein bisschen zu weit".

Sorge bereitete insbesondere, dass auch Vertreter der rechtsextremen "Allpolnischen Jugend" angekündigt hatten, am Samstag durch Warschau zu marschieren. Dieser "Marsch der Tradition und Kultur" findet jedoch nicht statt.

Damit folgte die offen schwulenfeindliche Organisation dem Aufruf von Bildungsminister Roman Giertych, einem ihrer Gründer und Mitglied der LPR. Giertych hatte seinen Aufruf mit der Fußball-Weltmeisterschaft begründet, an der auch die polnische Nationalmannschaft teilnimmt.

Mit derselben Begründung hatte der Minister die Behörden aufgefordert, die "Gleichheitsparade" der Homosexuellen zu verbieten.

Dass ein Zusammenstoß mit der Allpolnischen Jugend hätte gefährlich werden können, konnte man erst vor ein paar Wochen bei einem Gleichheitsmarsch in Krakau beobachten.

Augenzeugen berichteten, dass die Rechten Steine auf die Teilnehmer warfen. Anschließend seien die Steinewerfer vor der Polizei in die Büros von Abgeordneten der LPR geflüchtet.

Gut 1000 Teilnehmer aus dem Ausland werden zur Gleichheitsparade erwartet, berichtet Tomasz Baczkowski von der Stiftung, die die Demonstration organisiert.

Die Unterstützung aus dem Ausland ist den Warschauer Veranstaltern sehr wichtig. "Ohne sie hätten wir nicht erreicht, was wir erreicht haben", sagt Baczkowski. "Die Solidarität zeigt die Besorgnis des Auslands über die schlimmen Tendenzen in Polen."

Für die extreme Rechte ist die Solidarität aus dem Ausland natürlich ein Ärgernis. Es wird befürchtet, dass trotz der Absage der Gegendemonstration Rechtsextreme für den Samstag mobil machen. Hoffnung setzt ein Teilnehmer der Gleichheitsparade auf die Weltmeisterschaft. Viele Fußballfans unter den Rechten seien dann vielleicht in Berlin.

© AFP/Sybille Korte/AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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