Polen:Adam Michnik - Opfer des eigenen Optimismus

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Polens Rechte attackieren den liberalen Publizisten Adam Michnik. Der schwerkranke Michnik, der in Westeuropa für sein Ringen um Demokratie mehrfach ausgezeichnet wurde, wird als Volksschädling beschimpft.

Thomas Urban

Ein neues Wort hat Einzug in die polnische Presse gefunden: Michnikowszczyzna, die Michnik-Herrschaft.

Das klingt hässlich und ist auch so gemeint. Das Wort bezeichnet einen angeblichen Werteverfall, für den die polnische Rechte den Chefredakteur der linksliberalen Gazeta Wyborcza, Adam Michnik, verantwortlich macht.

Dem schwerkranken Michnik, der in Westeuropa für sein Ringen um Demokratie mehrfach ausgezeichnet wurde, werden nahezu alle Schattenseiten der polnischen Demokratie angehängt. Sein angebliches Motiv: Er wollte alte kommunistische Seilschaften schützen.

In der Tat war Michnik als Sohn jüdischer Kommunisten in seiner Jugend ein begeisterter Parteigänger des Regimes. Als er aber als Student für einen ,,Sozialismus mit menschlichem Antlitz'' stritt, wurde er verhaftet. Fast neun Jahre verbrachte er hinter Gittern. Im ,,Sommer der Solidarität'' 1980 stieß er, mittlerweile Verfechter einer westlichen Demokratie, zum Arbeiterführer Lech Walesa, und wurde unter dem Kriegsrecht Ende 1981 erneut verhaftet. 1989 gehörte er zu den Wortführern der Solidarnosc, als eine Aufteilung der Macht zwischen Kommunisten und Opposition beschlossen wurde.

Saufkumpan des Zensors

Er gründete die Gazeta Wyborcza, die erst Wahlkampfzeitung der Solidarnosc war und heute die größte Tageszeitung im ehemaligen Ostblock ist. Doch heute beschimpfen Publizisten, die der nationalkonservativen Regierung nahestehen, ihn als eine Art Volksschädling. Er habe ein Meinungsmonopol errichtet, das zur Beschädigung des moralischen Kompasses der Nation geführt habe und so eine Aufarbeitung des kommunistischen Regimes hintertrieben.

In der Tat hatte Michnik sich schon 1990 mit Walesa überworfen, als dieser ein Ende der Regierungskoalition mit den Kommunisten forderte. Walesa verbot daraufhin der Gazeta Wyborcza die Verwendung des Solidarnosc-Logos. Michnik warnte im Gegenzug davor, mit Walesa werde der ,,schwarze, reaktionäre Klerus'' an die Macht kommen. Ein Irrtum: Walesa hat sich als Präsident stets den Umarmungen der Kirche entzogen und bezeichnete die Kaczynski-Zwillinge als ,,Unglück für Polen''.

Der zweite große Irrtum Michniks war sein Glaube an die Läuterung der ehemaligen Parteikader. Mit dem Kriegsrechtsgeneral Wojciech Jaruzelski trank er Brüderschaft. Den ehemaligen Innenminister Kiszczak, der für zahllose Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, nannte er einen ,,Ehrenmann''. Die Mehrheit der Intellektuellen hatte dafür kein Verständnis. Dass er sich wenig später von dem Lob für Kiszczak distanzierte, verhallte nahezu ungehört.

Und als nun nach Publikationen aus den Akten des Geheimdienstes Politiker und sogar der neue Warschauer Erzbischof zum Rücktritt gezwungen wurden, nannte die konservative Zeitung Dziennik dies das ,,Ende von Kiszczaks und Michniks Polen''.

Dieser hatte mit den Reformkräften der damaligen Arbeiterpartei und dem linken Flügel der Solidarnosc eine große sozialdemokratische Partei schaffen wollen, doch das Projekt scheiterte. Denn die Postkommunisten vertraten zwar weltanschaulich linke Positionen, ihre Wirtschaftspolitik aber war neoliberal. Überdies kehrten jedes Mal, wenn sie die Regierung stellten, alte Kader in Schlüsselpositionen zurück, was das Gerechtigkeitsempfinden vieler Polen verletzte.

Sehr lange verschloss Michnik die Augen davor, dass die Reformer unter den Postkommunisten diesen Kurs mittrugen. Damit bereitete er ungewollt den Kaczynski-Brüdern das Feld, deren Partei den Namen ,,Recht und Gerechtigkeit'' trägt. Ein Großteil der Generation, die das Kriegsrecht erlebt hatte, wandte sich von ihrem einstigen Idol Michnik ab.

Michnik als Opfer seines eigenen optimistischen Menschenbildes

Dass er sich falsche Hoffnungen gemacht hatte, wurde Michnik wohl schlagartig bei der Rywin-Affäre klar: Vor vier Jahren hatte ihm der Filmproduzent Lew Rywin (,,Der Pianist'') im Auftrag von Führern der Linken ein Korruptionsangebot gemacht, das den Verzicht der Gazeta Wyborcza auf Kritik an der Regierung unter dem ehemaligen ZK-Sekretär Leszek Miller vorsah. Außerdem wurde damals bekannt, dass Michnik sich wiederholt zu Trinkgelagen mit Regierungssprecher Jerzy Urban getroffen hatte: Der Streiter für das freie Wort machte sich zum Saufkumpan des Oberzensoren und Propagandisten des Regimes.

Michnik ist Opfer seines optimistischen Menschenbildes geworden. Er hat sich in den ehemaligen Parteikadern getäuscht: Viele ihrer Köpfe haben den Staat, wie vor 1989, als ihr Eigentum angesehen. Michnik hat dem Korruptionsangebot Rywins widerstanden, wird aber von der Rechten für die korrupten Netzwerke mitverantwortlich gemacht, weil er sich gegen die ,,Lustration'' (Durchleuchtung) der Gesellschaft gestellt haben soll. Dabei hat die Gazeta zur Aufdeckung von Finanzaffären der Postkommunisten beigetragen.

Seinen rechten Gegner war er auch verhasst, weil er eine Aufarbeitung auch der düsteren Seiten der polnischen Geschichte forderte, namentlich des traditionellen Antisemitismus sowie der Vertreibung der Deutschen. Seinen Anteil am Aufbau einer freien Presse wollen seine Gegner nicht anerkennen - obwohl sie davon profitieren. Vor allem aber zeigen die Angriffe, dass Adam Michnik mit seinem Hauptanliegen gescheitert ist: die Gräben in der Gesellschaft zu überbrücken.

© SZ vom 7.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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