Plan der EU-Kommission:Europa soll gerechter werden

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Faire Löhne, bessere Bildung, mehr Rechte für Eltern: Mit einer neuen Sozialpolitik will Brüssel Populisten entgegentreten.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Mit Vorschlägen für ein "sozialeres Europa" will die Europäische Kommission der verbreiteten Unzufriedenheit über die EU und dem Aufstieg populistischer Parteien entgegenwirken. Eine "soziale Säule" soll Europa nach Ansicht der Brüsseler Behörde wappnen für die Probleme, welche die Globalisierung, die Überalterung der Gesellschaft und die Digitalisierung mit sich bringen. Allerdings fügen die am Mittwoch in Brüssel vorgestellten Ideen den bestehenden sozialen Rechten und Standards in der EU kaum etwas hinzu. Für deutsche Arbeitnehmer wird sich wohl nur bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Verbesserung ergeben.

Das Paket der Kommission besteht aus drei Teilen. Zunächst der neuen "Säule". Sie entsteht als unverbindliche Deklaration der Kommission, der sich die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament anschließen sollen. Sie enthält 20 Rechte und Prinzipien, vom Recht auf eine "gute Ausbildung" und "faire Löhne" über "gute Bildungschancen für Kinder" bis zum "Zugang zu erschwinglichen Pflegeleistungen". Die Erklärung soll diese Rechte sichtbarer und leichter einklagbar machen. Sie seien mit Blick auf "neue Realitäten" ergänzt worden, betonte die Kommission. Ausgerichtet ist die Säule auf die 19 Mitglieder der Euro-Zone, sollen aber auch den anderen EU-Staaten offenstehen.

Zum Zweiten schlug die Behörde als erste konkrete Maßnahme mehr Rechte für berufstätige Eltern vor. So sollen Mütter und Väter in Europa ein Anrecht auf jeweils mindestens vier Monate Elternzeit erhalten, bis das Kind zwölf Jahre alt ist. Mütter sollen in dieser Zeit mindestens so viel wie das Krankengeld verdienen. Väter sollen künftig zehn Werktage Urlaub rund um die Geburt ihres Kindes nehmen können. Wenn direkte Verwandte erkranken, sollen fünf Tage Sonderurlaub beantragt werden dürfen. Zusätzlich präsentierte die Kommission Empfehlungen und Klärungen zu weiteren Bereichen wie Arbeitsverträgen oder -zeiten.

Dritter Punkt ist ein "Reflektionspapier" zur Zukunft der EU-Sozialpolitik, als Ergänzung zum kürzlich präsentierten Weißbuch. Je nach Wunsch könnten die EU-Staaten das Soziale auf die Freizügigkeit von Arbeitnehmern beschränken, einzeln vorangehen oder, alle zusammen, die "soziale Dimension Europas vertiefen".

Die Sozialpolitik liegt überwiegend in nationaler Verantwortung. Wegen des gemeinsamen Binnenmarkts muss aber doch vieles europäisch geregelt werden, allein um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Über die Frage, was noch hinzukommen soll, besteht große Uneinigkeit in der EU. Die Ende März verabschiedete Erklärung von Rom zum 60. Geburtstag der Union enthält zwar den Hinweis auf eine "soziale Dimension", doch war dieser Punkt extrem umstritten.

Im EU-Parlament wurde die Kommission überwiegend kritisiert. Die SPD zeigte sich "enttäuscht", die Grünen sprachen von einer "verpassten Chance". Arbeitsplätze zu schaffen sei die "beste Sozialpolitik", sagte Angelika Niebler (CSU).

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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