Pfahls-Prozess:Mehltau in der Mühle der Justiz

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Es lohnt sich durchaus für Ludwig-Holger Pfahls, sich einsichtig und zerknirscht zu geben: Immerhin erwartet den geständigen Angeklagten ein vergleichsweise harmloses Strafmaß.

Von Hans Holzhaider

Er sieht nicht krank aus. Etwas blass vielleicht, etwas schmaler im Gesicht als am 13. Juli 2004, als er von Zielfahndern des Bundeskriminalamts in Paris festgenommen wurde. Die Unterlippe ist nach vorne geschoben, die Mundwinkel sind deutlich nach unten gezogen, was einen halb trotzigen, halb verbitterten Eindruck vermittelt, so wie beim früheren Innenminister Manfred Kanther, als der sich wegen Untreue vor Gericht verantworten musste.

Aber Ludwig-Holger Pfahls hält den Rücken gerade, er ist noch immer eine durchaus gediegene Erscheinung im gedeckten Anzug mit mäßig farbenfroher Krawatte.

Es ereignen sich einige überraschende Dinge an diesem ersten Prozesstag vor dem Landgericht Augsburg, vor dieser mittlerweile vertrauten Kulisse, unter dem Vorsitz des stets gut gelaunten Richters Maximilian Hofmeister, der in eben diesem Saal schon die Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert und Strauß-Sohn Max verurteilt hat.

Milde Strafe in Aussicht

Für ihn ist es eine besondere Genugtuung, jetzt mit Ludwig-Holger Pfahls erstmals einen Angeklagten aus dem Schmiergeld- und Bestechungssumpf im Dunstkreis des Lobbyisten Karlheinz Schreiber vor sich zu haben, der bereit zu sein scheint, ein Geständnis abzulegen. Der zugibt, dass das Geld, das Schreiber auf einem jener ominösen Schweizer Konten mit dem Rubriknamen "Holgart" verwahrt hat, ihm, Pfahls, zugedacht war, und dass es ihn nur einen Anruf gekostet hätte, Zugriff darauf zu nehmen. Das kann von entscheidender Bedeutung sein, wenn die Urteile gegen Maßmann, Haastert und Max Strauß noch einmal auf den Prüfstand kommen.

Vielleicht hat diese Aussicht das Gericht milde gestimmt, so milde, dass es dem Angeklagten jetzt eine Strafe von nicht mehr als zwei Jahren und drei Monaten in Aussicht stellt, verblüffend wenig angesichts des Vorwurfs der Bestechlichkeit gegen einen früheren Spitzenbeamten der Bundesregierung. Nicht genug damit: Das Gericht deutet auch an, Pfahls könne - weiteres Wohlverhalten vorausgesetzt - schon nach Verbüßung der halben Strafzeit entlassen werden, und das hieße, dass er nach Ende des Prozesses gerade noch vier oder fünf Wochen abzusitzen hätte.

Da lohnt es sich durchaus für Ludwig-Holger Pfahls, sich einsichtig und zerknirscht zu geben. Er stellt sich dar als einer, der sich mehr oder weniger arglos auf die Leimrute gesetzt habe, die ihm der mit allen Wassern gewaschene Schreiber hinhielt, der aber trotzdem seine Ehre nicht preisgegeben habe: Niemals, beteuert er, hätte er um des schnöden Geldes willen etwas getan, was er nicht ohnehin für richtig und mit seiner Pflicht vereinbar gehalten hätte.

Diese erste Geschichte, der Sündenfall sozusagen: wie der Thyssen-Konzern den US-Streitkräften Fuchs-Panzerfahrzeuge liefern wollte, und das Ganze nur noch daran hing, dass eine US-Firma, die sich an der Ausschreibung beteiligt hatte, 350000 Dollar Schadensersatz dafür bekommen musste, dass sie nicht zum Zuge kam. Lumpige 350000 Dollar bei einem Lieferumfang von rund 800 Millionen Mark! Selbstverständlich hätte er das auch geregelt, wenn ihm Schreiber nicht zwei Millionen Mark dafür versprochen hätte.

"Ich wollte das Geld nicht", sagt Pfahls, "aber dem gelingt es immer irgendwie, einen breitzuquetschen." Aber, wirft Richter Hofmeister ein, "Sie waren doch Beamter!" - "Ja", räumt Pfahls ein, und dann wird er geradezu lyrisch vor lauter Zerknirschtheit: "Ich hatte mich verstrickt, aber doch nicht so ganz, dass sich Mehltau über meine Seele gelegt hätte."

Kohl als Entlastungszeuge

Es wird noch große Momente geben in diesem Prozess. Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl wird als Zeuge geladen werden müssen. Und das wird kein Auftritt werden wie weiland der von Edmund Stoiber im Prozess gegen Max Strauß- "Mein Name ist Stoiber, ich weiß von nichts".

Kohl könnte tatsächlich ein wichtiger Entlastungszeuge für Pfahls werden, wenn er bestätigt, was die Verteidigung behauptet: dass er, Kohl, dem amerikanischen Außenminister James Baker insgeheim die Lieferung von Fuchspanzern an Saudi-Arabien zugesagt und damit den Verteidigungsstaatssekretär Pfahls geradezu in Zugzwang gebracht hatte.

So geheim diese Zusage war - Karlheinz Schreiber wusste schon eine Woche später davon. Die Frage ist nur: Warum hätte er dem Dr. Pfahls dann noch so viel Geld bezahlen sollen?

© SZ vom 29.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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