Pekings Politik:Das China-Syndrom

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Die chinesische Regierung will in Davos auftrumpfen. Doch ihr Erfolgsmodell stößt in der Heimat an Grenzen. Deshalb wird massiv im Ausland eingekauft.

"CEO, China", so heißt die erste ernst zu nehmende Xi-Jinping-Biografie, die im vergangenen Jahr erschienen ist. Sie enthält keine Propagandaprosa wie die amtlichen Abhandlungen, sondern viele kluge und scharfe Beobachtungen. Geschrieben hat das Buch Kerry Brown, ein ehemaliger britischer Diplomat in Peking, der inzwischen als Professor am King's College in London lehrt. Er zeichnet das Bild eines Mannes, der sein Land mit der Machtfülle eines Vorstandsvorsitzenden zu führen gedenkt. Der Patriarch an der Spitze der China AG. Treffen mit Kollegen mied Xi bislang jedoch.

Zur Jahreshauptversammlung der globalen Wirtschaftselite in Davos schickte Peking in der Vergangenheit allenfalls Hauptabteilungsleiter dieser China AG vorbei. 2016 reiste zwar ein Politbüromitglied in die Schweizer Alpen, doch das klingt größer, als es ist, in China ist das wirkliche Machtzentrum der Ständige Ausschuss - Xis Vorstand.

In diesem Jahr kommt der China-Chef selbst in die Schweiz. Denn gerade wirtschaftlich verändert sich die Volksrepublik rasant. Das alte Erfolgsmodell ist an seine Grenzen gestoßen. Der Export lahmt, der Binnenkonsum reicht nicht aus, um langfristig wie geplant mit sechs bis sieben Prozent pro Jahr zu wachsen.

Chinas Wirtschaft soll grüner und vor allem innovativer werden. Vor gut anderthalb Jahren stellte die Führung in Peking daher ihre industriepolitische Agenda vor. "Made in China 2025" heißt dieser ehrgeizige Plan. Zehn Branchen haben sich die Wirtschaftsplaner ausgeguckt, in denen Chinas Unternehmen schon bald führend sein sollen: bei Elektroautos und Zügen, im Flugzeugbau oder etwa in der Pharmaindustrie. Etliche Milliarden an Fördergeldern stehen bereit. Für die Halbleiterindustrie hat Peking zum Beispiel 19 Milliarden Euro zurückgelegt, und für die Digitalisierung der Produktion wurde vor Kurzem ein Fonds mit etwa 2,7 Milliarden Euro aufgelegt. Zum Vergleich: Die Bundesregierung gibt für das deutsche Pendant, die Industrie 4.0, rund 200 Millionen Euro aus.

Genauso ambitioniert wie die finanzielle Unterstützung sind auch die Planziele der Regierung. Bis 2025 sollen zum Beispiel acht von zehn Elektroautos, die in der Volksrepublik verkauft werden, aus heimischer Produktion stammen. Noch präziser sind die Vorgaben in der Medizintechnik: Bis 2020 sollen chinesische Hersteller 600 Milliarden Yuan (etwa 80 Milliarden Euro) Umsatz erwirtschaften, fünf Jahre später sollen es 1,2 Billionen Yuan sein. Um das auch wirklich zu erreichen, hat die Nationale Kommission für Gesundheit und Familienplanung jüngst einen Katalog in Auftrag gegeben, in dem staatlichen Krankenhäusern Ausstattung empfohlen wird. Genau 153 medizinische Geräte sind verzeichnet, kein einziges darin stammt von einem nicht-chinesischen Hersteller.

Wo die Technologie fehlt, wird zugekauft: Alleine in Deutschland ist in den vergangenen zwölf Monaten das Volumen an Firmenübernahmen um mehr als das 20-Fache gestiegen. Der größte Deal bisher: Der chinesische Küchengerätehersteller Midea kauft die Augsburger Roboterfirma Kuka - ebenfalls eine von der chinesische Regierung geförderte Branche.

In der Europäischen Union haben Unternehmen aus der Volksrepublik 2016 mehr als 35 Milliarden Euro investiert. Und auch die Schweiz, die CEO Xi nun besucht, steht im Fokus der Made-in-China-Einkaufstour. Gut 40 Milliarden Euro bietet der staatliche Chemiekonzern Chem-China für den Schweizer Agrarkonzern Syngenta. Noch ist der Deal nicht abgeschlossen. Doch sicher ist, viele weitere werden folgen.

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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