Parteitag:FDP statt DGB

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Der frisch im Amt bestätigte Guido Westerwelle hat in seiner Wahlkampfrede auf dem Parteitag zu Köln einen originellen Einfall. Er macht aus seiner Partei eine neue Gewerkschaft. Ein Kommentar von Heribert Prantl

Bei seiner Partei seien, so ihr Vorsitzender Westerwelle, die Interessen der Arbeitnehmer viel besser aufgehoben als bei Verdi und der IG Metall. Wäre Joschka Fischer im Saal gewesen, er hätte die Intelligenz der so umworbenen sieben Millionen Gewerkschaftsmitglieder mit dem Sponti-Spruch zu verteidigen versucht, wonach nur die allerdümmsten Kälber...

Aber Fischer war nur virtuell im Saal, als großer rhetorischer Watschenbaum für Westerwelle und als Synonym für das Trauma der FDP, die sich noch immer schwer damit tut, dass es eine andere dritte Partei gibt, die für sich gleichfalls das Attribut "liberal" in Anspruch nimmt.

Westerwelle versucht es ihr zu entreißen, in dem er endlich wieder an die rechtsstaats-liberalen Traditionen der FDP anknüpft und so die Sündenfälle der Regierungs-Grünen auf dem Gebiet der inneren Sicherheit brandmarken kann.

Pfiffige Variation der plumpen Attacken

Die Ankündigung einer feindlichen Übernahme der Gewerkschaften durch die FDP war die pfiffige Variation der plumpen Gewerkschaftsattacken, die Westerwelle im Vorfeld des Parteitages geritten hatte. Seine Interviews hatten sich gelesen wie ein Adoptionsantrag bei Margaret Thatcher.

Er proklamierte eine Politik ähnlich der, wie Thatcher sie in Großbritannien durchgesetzt hatte: Entmachtung der Gewerkschaften, Illegalisierung von Streiks, Kastration der Sozialpolitik, Demütigung der Gewerkschaftsführer. In solchem Thatcherismus sah Westerwelle offenbar die zündende Antwort auf die Kapitalismuskritik des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering.

Im Kern der Sache hat Westerwelle beim Parteitag davon wenig zurückgenommen, sehr wohl aber hat er die Intonation geändert. Er sprach auffallend oft von "sozialer Marktwirtschaft" und er geißelte nicht mehr die Gewerkschaften als solche, sondern ihre "Funktionärskaste".

Offensichtlich hatte man Westerwelle gesagt, dass er mit der Verdammung der Gewerkschaften nur dazu beitrüge, die Müntefering-Kritik zu erhärten und die SPD zu stabilisieren.

Es gibt einiges zu kritisieren

Es gibt einiges zu kritisieren an den deutschen Gewerkschaften; sie haben, wie andere auch, zu lange an der pausbäckigen Mentalität festgehalten, die sie in Zeiten von Wachstum und Vollbeschäftigung entwickelt hatten.

Wer aber darüber, wie Westerwelle, vergisst, welche Leistungen die Gewerkschaften für dieses Land erbracht haben und weiter erbringen müssen, der ist töricht. Die Gewerkschaften haben den noch immer nicht abgeschlossenen Strukturwandel, nicht nur im Ruhrgebiet, moderiert.

Ganze Berufsgruppen, ganze Industrien sind verschwunden. Ohne die, ihnen oft abgesprochene Vernunft der Gewerkschaften hätte dies nicht so friedlich funktionieren können.

Massenarbeitslosigkeit und immer mehr Menschen, die in prekären Verhältnissen leben: Es stimmt, dass der gewerkschaftliche Handlungsbedarf größer ist, als die gegenwärtigen Gewerkschaften ihn zu erfüllen vermögen. Es gehört aber schon viel Vorwitz und Kaltschnäuzigkeit dazu, ausgerechnet diesen Menschen die neoliberalen Rezepte anzubieten.

Die FDP - eine kalte Partei

Wer Wirtschaftspolitik als beste Sozialpolitik proklamiert, ist ein Gaukler; und wer behauptet, dass die soziale Verantwortung der Unternehmen sich in erster Linie dadurch zeige, dass sie Gewinne machen, der muss zumindest noch eine Frage anfügen. Die Frage, was die Unternehmen mit diesen Gewinnen machen - ob sie auch investiert werden, zum Beispiel in Arbeitsplätze. Dazu sagt die FDP nichts. Sie ist eine kalte Partei.

Man kann nicht auf der einen Seite die Bürgerrechte betonen, diese Bürgerrechte aber auf dem Feld der sozialen Sicherheit zur Disposition stellen. Wer Tarifverträge gering schätzt, wer die kollektiven Einspruchsrechte der Millionen von Menschen abschaffen will, die abhängig tätig sind und sich der Logik von Kapital und Markt ziemlich wehrlos ausgesetzt fühlen, der zündelt an den Grundpfeilern demokratischer Ordnung in diesem Land.

Westerwelle ist Jurist. Er muss wissen, dass die deutschen Gewerkschaften ins öffentliche Recht eingebunden sind, dass sie gesellschaftspolitisch eine tragende Rolle haben, die verfassungsrechtlich abgesichert ist.

Wollte Westerwelle tatsächlich den Versuch machen, die Gewerkschaften aus dem Grundgesetz zu vertreiben, dann hätte man es doch lieber, er würde sich stattdessen wieder Zahlen auf die Schuhsohlen schreiben. Westerwelle schielt mit seiner Fundamentalkritik weniger auf die Großunternehmen, die recht gut wissen, dass sie Gewerkschaften als Gegner und Partner brauchen.

Hausväterliches Denken

Er will vielmehr die traditionell gewerkschaftsfeindlichen kleinen und mittleren Mittelständler bedienen, für deren hausväterliches Denken Gewerkschaftsforderungen ein Gräuel sind - und die zur klassischen Klientel der FDP zählen.

Mit seiner Verbeugung vor den Rechtsstaats-Liberalen und mit einer Geste der Verbrüderung mit dem Konkurrenten Wolfgang Gerhardt hat Westerwelle versucht, das diffuse Unbehagen, das sich in der Partei gegen ihn richtet, zu zerstreuen. Das ist nicht so leicht. Der alte Spaß-Guido haftet an ihm wie ein Kainsmal.

© SZ vom 6.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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