Parteitag der Linken:Reformieren statt abschaffen

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In ihrem Wahlprogramm bekennt sich die Linke zur Europäischen Union - sieht aber dringenden Handlungsbedarf.

Martin Schirdewan, Co-Fraktionsvorsitzender der Linken im EU-Parlament. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Die Linke zieht mit der Forderung nach einem radikalen Umbau der EU in die Europawahl - und mit zwei weitgehend unbekannten Spitzenkandidaten. "Die Europäische Union braucht einen Neustart", fordert die Partei im Wahlprogramm, das ein Parteitag am Wochenende in Bonn beschlossen hat. "Gemeinsam mit anderen linken Parteien stehen wir für einen grundlegenden Politikwechsel in der Europäischen Union." Das Programm sieht höhere Steuern für Unternehmen, europäische Volksentscheide und ein Verbot aller Waffenexporte vor, stellt die Staatengemeinschaft aber nicht grundsätzlich infrage.

Mit breiter Zustimmung wählten die knapp 500 Delegierten den Europaabgeordneten Martin Schirdewan und die Gewerkschafterin Özlem Alev Demirel zu ihren Spitzenkandidaten. Schirdewan erhielt 83,8 Prozent der Stimmen, er steht auf Platz eins der Europaliste und wird dem Reformflügel der Partei zugeordnet. Die 34 Jahre alte Demirel wurde mit 84,4 Prozent auf Platz zwei gewählt. Der 43-Jährige sprach sich in Bonn für einen "radikalen Kurswechsel" aus, der mit einer "falschen Spar- und Kürzungspolitik" brechen müsse. "Wir bauen ein Europa von unten, das allen gehört und niemanden zurücklässt", sagte Schirdewan. "Lasst uns die EU nach links verschieben."

Parteichef Riexinger gibt das Ziel für die Wahl im Mai aus: Mindestens zehn Prozent

Mit ihrem Programm, das den Titel "Für ein solidarisches Europa der Millionen, gegen eine Europäische Union der Millionäre" trägt, einigte sich die Partei auf einen Mittelweg zwischen zwei Extrempositionen: Der radikale linke Flügel konnte sich mit seiner Forderung nach einem klaren Anti-EU-Kurs nicht durchsetzen. Genauso scheiterten die gemäßigten Reformer mit ihrer Vision von einer "Republik Europa" mit deutlich mehr Kompetenzen und gemeinsamen Entscheidungen als bisher. Im Wahlprogramm heißt es nun, "unsere Vision ist in einem solidarischen Internationalismus verankert". Und weiter: "Der Rückzug hinter nationale Grenzen und Mauern ist für uns keine Option." Die Kritik an der EU reicht von der Flüchtlingspolitik über die Pläne für eine stärkere militärische Zusammenarbeit bis zu den Sozialsystemen.

Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken im Bundestag, rief beide Seiten zur Geschlossenheit auf. "Wir müssen wieder auf die Erfolgsspur kommen", sagte er. Dafür seien "Einheit und Haltung" nötig, statt "kleinteiliger Streit um irgendeinen Millimeter innerparteilichen Raumgewinn". Linken-Europachef Gregor Gysi forderte seine Partei auf, die EU als Chance und nicht als "notwendiges Übel" zu begreifen. "Wir können und müssen die Menschen begeistern für unseren Weg in ein linkes Europa", sagte er. Es gehe darum, ob ein Neustart gelinge oder sich der Zerfall der Europäischen Union forciere. Gysi ist Vorsitzender der Parteienfamilie Europäische Linke. Ihr werden bei der Wahl am 26. Mai etwa 50 der künftig 705 Sitze im nächsten EU-Parlament vorhergesagt. Die deutsche Linke stellt derzeit sieben Abgeordnete. 2014 war sie auf 7,4 Prozent der Stimmen gekommen. Für dieses Mal gab Parteichef Bernd Riexinger mindestens zehn Prozent als Ziel aus. "Bei den Europawahlen wollen wir ein zweistelliges Ergebnis", sagte er. Mit ihren jungen Spitzenkandidaten setze die Partei bewusst auf eine neue Generation, die Europa selbstverständlich lebe.

Schirdewan sitzt seit 2017 im Europaparlament und ist dort zuständig für Wirtschafts- und Währungsfragen, beschäftigt sich mit Finanzkriminalität und Steuerhinterziehung. Der promovierte Politikwissenschaftler ist auch Mitglied im Parteivorstand der Linken. Demirel ist Gewerkschaftssekretärin bei Verdi und war bis 2018 vier Jahre lang Landesvorsitzende der Linken in Nordrhein-Westfalen. Sie verlangte mehr Aufbruchstimmung in der Linken für Europa.

© SZ vom 25.02.2019 / dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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