Parteitag der Grünen:Lockstoff Grundeinkommen

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Die Beschlüsse der Grünen zur Sozialpolitik eignen sich zum Opponieren, aber nicht zum Regieren.

Nina Bovensiepen

Reinhard Bütikofer hat recht. Eine extrem gesteigerte Oppositionsfähigkeit hat der Grünen-Chef seiner Partei am Wochenende bescheinigt. Tatsächlich eignen sich die Beschlüsse des grünen Parteitags in Nürnberg vor allem für eines: zum Opponieren. Zum Regieren taugen sie nicht.

Der Tenor der neuen grünen Sozialpolitik lautet: weniger fordern, mehr fördern. Mit uns gibt es mehr Arbeitslosengeld und weniger Zumutungen, lockt die Programmatik, mit der die Grünen einen unglaubwürdigen und unseriösen Schwenk machen. Unglaubwürdig, weil die Partei selbst nicht weiß, wohin sie will.

Das zeigt etwa der Streit der Grünen über Grundsicherung versus Grundeinkommen. Vorerst hat sich der Vorstand mit seinem Votum für eine Grundsicherung durchgesetzt. Bütikofer, Roth & Co. preisen das als Sieg der Vernunft. In Wahrheit verabschieden sich die Grünen mit dem Beschluss von der Agenda- und Hartz-Politik, die sie einst mit der Schröder-SPD gemacht haben und die zu wirken begonnen hat. Davon will die Partei jetzt aber nichts mehr wissen.

Deshalb soll der Hartz-IV-Satz künftig 420 statt 347 Euro betragen, deshalb soll es kostenlose Schulessen und Sozial-Tickets geben, deshalb sollen Erwerbslose mehr Altersvorsorge sparen können und weniger Druck zu spüren bekommen. Kosten: etwa 60 Milliarden Euro. Zahlen sollen die Reichen und die Erben. Abgesehen davon, dass die Partei sich damit auch von der rot-grünen Steuerpolitik verabschiedet, sind die Rechnungen unseriös. Nur ein Beispiel: Der Hartz-IV-Satz ist derzeit an die Entwicklung der Renten gekoppelt. Bekommen Rentner also auch mehr? Dazu schweigen die Grünen. In der Opposition müssen Rechnungen eben nicht der Realität standhalten.

In der Theorie entsteht eine bessere Welt

Das Paket mit den unbezahlbaren Versprechen ist auch deshalb so umfangreich geraten, weil die Grundeinkommens-Verfechter milde gestimmt werden mussten. Diese stehen für einen noch radikaleren Wandel. Die Idee des Grundeinkommens besagt, dass jeder Bürger vom Staat ein Einkommen bekommt, lebenslang und unabhängig von Familienstand, Beruf und Gehalt. In der Theorie entsteht eine bessere Welt: Arbeitslose werden nicht mehr stigmatisiert. Die Menschen entfalten sich frei; statt frustriert im Büro Zeit abzusitzen, wenden sie sich gesellschaftlich wichtigen Aufgaben zu. Hier beginnen allerdings die Probleme. Denn wer weiß, ob Menschen durch das Grundeinkommen zu Weltverbesserern werden? Vielleicht legen sie sich auch auf die faule Haut. Zudem ist das Grundeinkommen unbezahlbar.

Die Anhänger der Idee preisen sich als Vorreiter einer Utopie, für die die Zeit nur noch nicht reif sei. Sie träumen von einer Rolle, wie die Partei sie einst mit dem Thema Ökologie eingenommen hat. Dieser Erfolg ist aber weder mit Grundeinkommen noch mit Grundsicherung zu wiederholen. Mit solchen Angeboten locken außerdem schon Oskar Lafontaine und seine Partei - in der Opposition.

© SZ vom 26.11.2007/sma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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