Parteikonvent der Demokraten:Kerry's Chance: Punkten in Boston

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Das liberale Amerika starrt derzeit gebannt nach Boston: Dort soll ein rauschender Parteikonvent der Demokraten mit Showstars und Parteigrößen für Senator John F. Kerry ab Montag die Weichen für den Wahlsieg über Präsident George W. Bush stellen.

"Amerika muss wieder Amerika werden" - mit diesem Appell will Kerry das vor allem wegen des Irakkriegs tief gespaltene Amerika einigen. "Stärker zu Hause, respektiert in der Welt" soll die Botschaft des Parteitags lauten - und damit der Sehnsucht vieler US- Bürger nach einem starken, sicheren, aber auch weniger verhassten Amerika entgegen kommen.

John F. Kerry spielt am Ende einer Wahlspenden-Gala in der Radio City Music Hall in New York Gitarre. (Foto: Foto: dpa)

Die Bühne für Kerry, der hier formell die demokratische Präsidentschaftskandidatur annehmen wird, ist bereitet. 75 Millionen Dollar soll der Parteitag kosten.

Die idyllische Stadt an der Ostküste, die 36.000 Delegierte, Lobbyisten und Journalisten erwartet, wird aus Terrorangst zu einer streng bewachten Festung. Das pompöse, viertägige Parteifest mit all den Fahnen, Luftballons und Konfetti ist von Hollywood-Regisseuren und Parteistrategen minutiös geplant.

Von den Ex-Präsidenten Jimmy Carter und Bill Clinton werden kämpferische Reden erwartet. Vietnamkriegs-Gefährten Kerrys, das heimliche Parteiidol Hillary Clinton oder Ron Reagan, Sohn des republikanischen Ex-Präsidenten Ronald Reagan, sollen Emotionen wecken, die Gemüter bewegen. Aber die Demokraten sorgen sich, ob Kerry es trotz allen Überdrusses an Bush schaffen kann.

"Anybody but Bush"

Zwar gibt es weit verbreitet eine "ABB"-Stimmung - "Anybody but Bush" (Jeder, nur nicht Bush). Aber das reiche für Kerry nicht, so der Radiosender NPR. "Die Amerikaner scheinen noch immer nicht sonderlich begeistert von Kerry zu sein", schrieb die New York Times.

Dabei könnte Kerry optimistisch sein. Spendengelder fließen reichlich. Die Zahl der Bush-Gegner ist ständig gewachsen, Bücher gegen Bush sind Bestseller, der Michael-Moore-Film "Fahrenheit 9/11" ein Kassenschlager. Bei Umfragen liegt Kerry gleichauf mit Bush, manche Institute sehen Kerry sogar vorn.

Bush hat an Glaubwürdigkeit verloren, die Mehrheit der US-Bürger hält den Irak-Krieg inzwischen für einen Fehler, viele schämen sich des Folterskandals in Abu Ghoreib. Zwar boomt die Wirtschaft, aber vor allem die Mittelklasse fürchtet weiteren Job-Verlust. Es fehlt eine Krankenversicherung für Millionen Arme.

Hölzern und humorlos

Aber Kerry tut sich schwer, dies für sich zu nutzen. Zum einen gilt Bush noch immer vielen als aufrechter Patriot. Zum anderen hat die Mehrheit der Amerikaner, noch immer traumatisiert von den Terroranschlägen vom 11. September 2001, bei der zentralen Frage der Sicherheit mehr Vertrauen zu Bush als zu Kerry.

Zudem steht sich Kerry zuweilen selbst im Weg. In Talkshows wird der hochgebildete, sportliche Diplomatensohn gnadenlos als hölzern und humorlos, ohne Charisma und Botschaft verspottet. "Kerry hat in Los Angeles auf spanisch eine Wahlrede gehalten und bewiesen, dass er fließend in zwei Sprachen langweilig sein kann", mokierte sich Talkmaster Jay Leno.

"Die meisten Amerikaner sind mit Kerry noch immer nicht vertraut" klagte der Gouverneur von Pennsylvania, Ed Rendell. Der Parteitag soll Kerry einen Popularitätsschub bescheren, wie das 1992 grandios Bill Clinton schaffte.

Selbst Al Gore konnte 2000 wohl auch wegen des endlosen Küssens seiner Frau Gefühle wecken und bei Umfragen zulegen. Das schafft Kerry bisher nicht. Auch die Ernennung des volksnahen, jugendlichen Senators John Edwards zum potenziellen Vizepräsidenten hat Kerry kaum Pluspunkte gebracht.

In einem sind sich fast alle Experten einig: die Wahl am 2. November wird in den letzten Wochen entschieden, vieles hängt von den Ereignissen im Irak ab. Geschieht nichts Gravierendes, entscheide der Wähler nach Gefühl. Und noch lässt Kerry viele, auch jene, die Bush nicht mögen, kalt.

© Laszlo Trankovits - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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