Parteiengesetz:Aus scharf mach stumpf

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Die Parteien tun sich selbst einen Gefallen: Sie wollen das Gesetz über ihre Finanzierung trotz vergangener Skandale wieder lockern.

Von Heribert Prantl

Die letzten Parteispendenskandale, verbunden mit den Namen Kanther und Kohl, sind erst ein paar Jahre her; aber die Lehren daraus geraten offenbar in Vergessenheit.

Zwei Jahre nach der moderaten Verschärfung des Parteiengesetzes sind die Parteien dabei, es wieder zu entschärfen: Die Regeln für Rechenschaftsberichte sollen abgemildert, das Prüfungsrecht des Bundestagspräsidenten eingeschränkt werden - weil es, so die Begründung, mit der "Staatsfreiheit der Parteien" nicht vereinbar sei, "wenn ihre Gliederungen unmittelbar dem Zugriff der Bundestagsverwaltung ausgesetzt wären".

Eigene Ermittlungen und Zugriffe auf Beweismittel, die ihm derzeit möglich sind, werden dem Bundestagspräsidenten "verwehrt". Er soll bei konkreten Anhaltspunkten für unrichtige Angaben im Rechenschaftsbericht nur die Wirtschaftsprüfer der jeweiligen Partei einschalten dürfen; weitere Recherchemöglichkeiten hat er nicht mehr.

Dies ergibt sich aus einem 27-seitigen Gesetzentwurf vom 1. August 2004, welcher der SZ vorliegt. Innenpolitiker von SPD, Union und Grünen haben ihn ausgearbeitet. Der Entwurf soll die angeblich "erheblichen Unsicherheiten" der neuen Rechtslage, welche die Schatzmeister dieser Parteien festgestellt haben wollen, beseitigen. Dem Vernehmen nach soll die Gesetzesmilderung noch im September in erster Lesung im Bundestag eingebracht werden.

Zu den Details: "Unrichtigkeiten, die im Einzelfall 1000 Euro nicht übersteigen",sollen künftig außer Betracht bleiben. Das betrifft alle Barspenden; die sind nämlich nur bis zu 1000 Euro erlaubt. Der Gesetzentwurf spricht von einer "Bagatellgrenze".

Darunter entfallen alle Sanktionen, weil auf diese Weise, so die Begründung des Gesetzesentwurfs, "das Prüfungsverfahren von geringfügigen Fehlern" entlastet werden soll, "die bei Einsatz ehrenamtlicher Schatzmeister von keiner Partei auch bei äußerster Sorgfalt der hauptamtlichen Mitarbeiter" zu vermeiden seien.

Recht zur Selbstanzeige

Nach dem verschärften Parteiengesetz von 2002, das nun wieder geändert werden soll, muss bei falschen Angaben im Rechenschaftsbericht das Doppelte des nicht ordnungsgemäß ausgewiesenen Betrages bezahlt werden; rechtswidrig kassierte Spenden kosten das Dreifache. Darüber hinaus wird falsche Rechnungslegung ausdrücklich für strafbar erklärt - und mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren sanktioniert. Der neue Gesetzentwurf sieht nun ein ausgeweitetes Recht zur Selbstanzeige vor.

Die Parteien sollen damit leichter und sicherer "in den Genuss der Sanktionsbefreiung kommen" als bisher, so formuliert es die Begründung zum einschlägigen Paragrafen 23 b neu. Und schließlich wird die Pflicht zur ordentlichen Buchführung, die im Handelsgesetzbuch niedergelegt ist, für die Parteien gelockert.

Mit dem Transparenzgebot, wie es die Parteien 2002 selbst in den Vordergrund gestellt hatten und wie es nun das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat, ist das nur schwer in Einklang zu bringen. Der Gesetzentwurf spricht deshalb von einer "spezifischen Transparenz" und beruft sich darauf, dass man an die Arbeit von Tausenden ehrenamtlicher Schatzmeister nicht zu hohe Anforderungen stellen könne.

Die Kommission unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung hatte in ihrem Bericht vom Mai 2004 erklärt, dass es noch an hinreichenden Erfahrungen in der Anwendung des Rechts von 2002 fehle. Diese Erfahrungen sollen nun offensichtlich nicht mehr abgewartet werden.

Weil der neue Parteien-Entwurf auch eine "Rückwirkungsklausel" vorsieht, wird womöglich die Gesetzesverschärfung des Jahres 2002 gar nicht mehr zur Anwendung kommen. Die Rechenschaftsberichte für 2003 müssen zwar bis Ende September eingereicht werden - wenn man sich diese Frist aber ein wenig verlängern lässt, könnte bis dahin das entschärfte Gesetz in Kraft sein.

© SZ vom 17.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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