Parteien:Analyse: Steuererhöhungen kommen - egal unter welcher Regierung

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Berlin (dpa) - Ob Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün - eines steht jetzt schon fest: Das künftige Regierungsbündnis in Berlin kann nicht mal eben Milliarden-Ausgabenprogramme für die nächsten vier Jahre beschließen, ohne über deren Finanzierung und neue Geldquellen zu sprechen.

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Berlin (dpa) - Ob Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün - eines steht jetzt schon fest: Das künftige Regierungsbündnis in Berlin kann nicht mal eben Milliarden-Ausgabenprogramme für die nächsten vier Jahre beschließen, ohne über deren Finanzierung und neue Geldquellen zu sprechen.

Denn erstmals überhaupt finden Koalitionsverhandlungen auch unter dem Diktat der strengen Schuldenbremse statt. Zwar sind die Sozialkassen üppig gefüllt, und die Wirtschaft dürfte im nächsten Jahr anziehen - und damit die Steuereinnahmen. Allen Beteiligten in einem Koalitionspoker ist aber auch bewusst, dass sie nicht aus den Vollen schöpfen und mehr Investitionen sowie Wahlgeschenke nicht auf Pump finanzieren.

Steuererhöhungen werden kommen - egal unter welcher Bündnis-Konstellation. Auch wenn die meisten Wähler eigentlich dagegen gestimmt haben. Denn hartes Sparen tut sowohl den Wahlsiegern als auch den Wahlverlierern weh.

Der amtierende Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) - ein Meister der Andeutungen - sowie CDU-Vize Armin Laschet bereiten die eigenen Reihen und Steuerzahler jedenfalls schon einmal vor. Beide sind zwar weiter gegen Steuererhöhungen, schließen sie aber auch nicht grundsätzlich aus und verweisen auf nötige Kompromisse. Zumal Laschet höhere Steuern auch nur „im Moment“ für schädlich hält.

1,07 Billionen Euro Schulden schiebt der Bund vor sich her. Unabhängig von den Altlasten: Der nächste Konjunkturabschwung kommt in dieser Wahlperiode bestimmt, die Zinsen für neue Kredite werden steigen und die Euro-Schuldenkrise ist längst nicht ausgestanden. Die Verteilungskämpfe zwischen Bund und Ländern bei der Neuordnung des Finanzausgleichs und des Solidarpakts werden ihr Übriges tun.

Grundlage für die Koalitionsverhandlungen in den nächsten Wochen wird zunächst einmal der Haushaltsentwurf für 2014 und der mittelfristige Finanzplan der abgewählten schwarz-gelben Koalition sein. Danach will der Bund 2015 einen Mini-Überschuss erwirtschaften und erstmals seit 1969 keine neuen Schulden mehr machen. Dann soll auch mit dem Abbau der Alt-Schulden begonnen werden.

Aus Sicht von SPD und Grünen aber sind Schäubles Pläne auf Sand gebaut. Ihre Hauptkritik: Für Risiken gebe es keine ausreichende Vorsorge, wirklich gespart worden sei ohnehin nie und werde nach wie vor nicht, und die teuren Wahlgeschenke von CDU und CSU seien überhaupt nicht finanziert. Was nicht nur Wahlkampfpolemik war.

Auf dem Papier besteht Spielraum für mehr Kredite, ohne gegen die Schuldenbremse zu verstoßen. In den vergangenen Jahren hat sich der Bund eine Art Puffer geschaffen. Auf dem „Kontrollkonto“ haben sich 57 Milliarden Euro als Positivbuchung angesammelt - ein positiver Dispokredit sozusagen. Denn wird die mögliche Verschuldungsgrenze in einem Jahr unterschritten, wird dies auf dem Kontrollkonto gut geschrieben. Eine Überschreitung führt zur Belastung des Kontos. Diese Quasi-„Kriegskasse“ dürften aber weder CDU und CSU, noch SPD und Grüne nutzen, weil dafür neue Schulden nötig wären. Zumal der Saldo auf dem Konto Ende 2015 auf null gestellt werden soll.

Mit SPD oder Grünen am Kabinettstisch wird es Steuererhöhungen geben - nicht auf breiter Front, eher punktuell für hohe Einkommen oder Vermögen. Ein höherer Spitzensteuersatz etwa - sehr symbolisch und wichtig für die linken Flügel - würde die Kassen mit einem einstelligen Milliarden-Plus füllen und eine überschaubare Gruppe treffen. Der aktuelle Vermögensbericht der Allianz, nach dem die Deutschen reicher wurden, liefert Rot und Grün die nötigen Zahlen. Mehr Steuern auf Kapitalerträge machen angesichts Niedrigzinsen und baldiger automatischer Datentransfers zwischen Staaten keinen Sinn.

Im Gegenzug dürften sich die Neu-Koalitionäre auf Entlastungen für alle Steuerzahler bei der Einkommensteuer einigen. Indem sie die Auswirkungen der „kalten Progression“ eindämmen. Lohnerhöhungen würden dann bei starker Preissteigerung nicht sofort wieder von höheren Steuersätzen aufgezehrt. Dagegen wollen seit Jahren alle Parteien angehen. Umgesetzt aber haben sie es wegen der Verluste in den Staatskassen nicht. Die bisher sperrige rot-grüne Ländermehrheit könnte nach einer Einigung auf Gegenfinanzierungen mitziehen.

Klar ist, dass SPD und Grüne in einem Bündnis mit CDU/CSU auf den wichtigsten Posten im Kabinett von Angela Merkel (CDU) pochen werden - den des Finanzministers. Nur so können sie ein Gegengewicht zum Kanzleramt schaffen, als Koalitionspartner neben der Union halbwegs bestehen - und die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin herausfordern.

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