Parlamentvotum:Polnische Abtreibungsgegner scheitern

Lesezeit: 2 min

Freude bei den Frauenrechtlerinnen, Krise bei den Konservativen: Polens Parlament lehnte eine weitere Verschärfung des Abtreibungsrechts ab. Der konservative Parlamentspräsident kündigte seinen Rücktritt an.

Das restriktive Abtreibungsrecht in Polen wird vorerst nicht weiter verschärft. Abgeordnete der Regierungsparteien scheiterten mit einem entsprechenden Vorhaben am Freitag im Parlament in Warschau.

Die Abgeordneten lehnten alle Vorschläge ab, die in unterschiedlicher Schärfe auf eine Verbesserung des Schutzes des ungeborenen Lebens zielten. Auch ein Entwurf des nationalkonservativen Präsidenten Lech Kaczynski, der die jetzige Regelung besser gegen eine zukünftige Liberalisierung schützen wollte, scheiterte an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit.

Regierungschef Jaroslaw Kaczynski hatte vor der Abstimmung im Parlament noch vergeblich um Zustimmung für den Antrag seines Zwillingsbruders geworben. Entsprechend enttäuscht zeigte er sich nach der Abstimmung: "Das ist eine Niederlage in einer Angelegenheit, die mir sehr wichtig war."

Nur Irland und Malta haben ähnlich strenge Regelungen

Polnische Frauenrechtlerinnen reagierten hingegen mit Freude und Erleichterung. "Das ist ein Sieg für das, was von der polnischen Demokratie übrig ist, und der Anfang einer Zivilgesellschaft in Polen", sagte Katarzyna Bratkowska von der Frauenorganisation "Ich entscheide für mich". Sie forderte eine Liberalisierung des gegenwärtigen Abtreibungsrechts, das in Europa nur in Irland und Malta ähnlich strikt ist.

Die rechtsklerikale Liga Polnischer Familien (LPR) hatte als erste die Initiative zur Verschärfung des Abtreibungsrechts ergriffen. Obwohl der Koalitionspartner von Kaczynskis Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nur über 29 Sitze im Sejm verfügt, stimmten 165 Abgeordnete für die Vorlage. Dennoch verfehlte die LPR damit die erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Sie hatte vorgeschlagen, in der Verfassung den Lebensschutz "von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod" zu verankern. Dafür hatte sie in den vergangenen Wochen die Unterstützung der polnischen Bischofskonferenz, des rechtsnationalen Senders Radio Maryja bekommen und zahlreicher PiS-Abgeordneter gewonnen.

Parlamentspräsident Marek Jurek begründete seinen angekündigten Rücktritt mit seiner "persönlichen Verantwortung" bei der Niederlage. Er werde daher bei der kommenden Sitzung des Sejm seinen Rücktritt erklären, sagte er vor Journalisten. Jurek gehört zum konservativen Flügel der PiS.

In Polen wurde der Schwangerschaftsabbruch zu kommunistischen Zeiten sehr liberal gehandhabt. Seit 1993 ist eine Abtreibung jedoch nur noch erlaubt nach Vergewaltigung oder Inzest, bei Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter oder bei unheilbar schwerer Behinderung des Fötus. Im März war Polen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden, weil einer Frau mit einer schweren Augenkrankheit eine Abtreibung aus gesundheitlichen Gründen verweigert worden war. Die Frau ist seit der Geburt des Kindes fast blind.

Frauenrechtlerinnen in Polen hatten befürchtet, dass bei einer Verfassungsänderung künftig noch mehr Ärzte als bisher einen Schwangerschaftsabbruch ablehnen würden. Sie schätzen, dass in Polen jährlich bis zu 200.000 illegale Abtreibungen vorgenommen werden.

© afp - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: