Parlamentswahlen in Spanien:Terrorabwehr an den Urnen

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Am Wahltag entscheiden die Spanier auch über den Kampf gegen Nationalisten und Separatisten.

Von Friedrich Kassebeer

Der blutigste Terroranschlag in der spanischen Geschichte hat die konservative Regierung in Madrid und die Oppositionsparteien drei Tage vor den Parlamentswahlen aus den Gleisen geworfen.

Sobald sich das schreckliche Ausmaß der Tragödie am Madrider Bahnhof Atocha und den beiden Vorortstationen abzeichnete, sagten die Chefs und Spitzenkandidaten der Volkspartei (PP) und der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) die Kundgebungen für die letzten beiden Tage der Wahlkampagne ab, die übrigen regionalen und die linken Parteien folgten.

Der Aufruf der Politiker, in Madrid und anderen großen Städten Massendemonstrationen gegen den Terror der baskischen Separatistenorganisation Eta an Stelle der Parteikundgebungen abzuhalten, beweist erneut den Willen zum gemeinsamen Widerstand.

Dabei war der Kampf gegen den Terrorismus ausgerechnet in der letzten Phase des Wahlkampfs zu einer heftig diskutierten Streitfrage geworden.

Ministerpräsident Jose Maria Aznar und sein auserkorener Nachfolger, PP-Spitzenkandidat Mariano Rajoy, verdächtigten die Sozialisten, Bündnisse mit Nationalisten und Separatisten zu suchen und damit die verfassungsmäßige Einheit Spaniens zu untergraben.

Zwischen der Regierungspartei und der PSOE existiert seit einigen Jahren der Antiterrorismus-Pakt, geschlossen auf Drängen des PSOE-Chefs Jose Luis Rodriguez Zapatero.

Seitdem die Sozialisten Kataloniens aber in der Landesregierung in Barcelona mit der Republikanischen Linken (ERC) koalieren und deren Vorsitzender Josep Luis Carod ein heimliches Gespräch mit zwei Eta-Führern in Südfrankreich geführt hat, werfen Aznar und Rajoy der PSOE vor, mit Sympathisanten der Terroristen gemeinsame Sache zu machen.

Als die Eta auch noch einen "Waffenstillstand" für Katalonien erklärte, um die Geschlossenheit zwischen der katalanischen und der baskischen Unabhängigkeitsbewegung herauszustreichen, glaubte die PP die wirksamste Munition gefunden zu haben.

Kaum Unterschiede bei den Volksparteien

Der Rücktritt Carods aus der katalanischen Regierung nutzte nichts, auch nicht die Beteuerung der Sozialisten, nur im Einklang mit der spanischen Konstitution die Erweiterung der Regionalautonomie anzustreben.

Die Führer der Volkspartei brüsteten sich, die einzigen Hüter der Einheit Spaniens zu sein. Zwischentöne in der Wahlkampfpolemik waren kaum noch zu hören. Das unselige Wort von den "Zwei Spanien" aus der Zeit des Bürgerkriegs 1936-1939 geht wieder um:

hier die rechten Verteidiger der Einheit, der Grandeza und der Monarchie, dort die Linke, die eine Föderalisierung Spaniens wolle, die über die bestehenden 16 autonomen Regionen hinaus reiche, ja bis zur Unabhängigkeit im Baskenland und Katalonien getrieben werde.

Ob nach dem furchtbaren Anschlag von Madrid noch ein Dialog zwischen den Zentralisten der PP und den gemäßigten Nationalisten des Baskenlandes und Kataloniens begonnen werden kann, erscheint ungewiss.

Die Sozialisten hatten sich am Ende des Wahlkampfs Chancen auf ein Kopf-an-Kopf Rennen an den Urnen erhofft.

Der PSOE-Spitzenkandidat Zapatero beeindruckte mit seiner Festigkeit und Ruhe verbürgenden Haltung.

Aznars Delfin Mariano Rajoy , der gemäßigt angetreten war, griff immer mehr zu provokanten, giftigen Parolen, die von der Furcht bestimmt schienen, die absolute Mehrheit zu verlieren.

An Attentate der Eta während entscheidender Wahlkämpfe ist Spanien gewöhnt.

Nach dem "Massaker von Madrid", wie die Anschläge am Donnerstag bereits genannt werden, strich die Regierung ihre bisherigen Erfolge im Kampf gegen die Eta heraus.

Sie sind in der Tat eindrucksvoll, nicht zuletzt auch wegen der effizienten Mitwirkung Frankreichs.

Am Wahltag stehen die Spanier vor der Entscheidung, ob sie die grauenhaften Szenen von Madrid als eine Niederlage der Regierung und ihrer Sicherheitsorgane werten oder als Auftrag an die Konservativen verstehen sollen, noch härter gegen Nationalisten und Separatisten vorzugehen.

© SZ vom 12.3. 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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