Parlamentswahlen im Iran:Ausschreitungen nach den ersten Ergebnissen

Lesezeit: 1 min

Bei Ausschreitungen nach Bekanntgabe der ersten Wahlergebnisse sind in Iran mindestens sieben Menschen ums Leben gekommen. Zuvor hatte der konservative Wächterrat eine Abkehr vom Reformkurs der vergangenen Jahre angekündigt.

Laut Innenministerium lag die Wahlbeteiligung bei 50 Prozent und erreichte damit den niedrigsten Stand seit 25 Jahren.

In der Provinz Teheran wählten knapp 34 Prozent. Der geistliche Führer Ayatollah Ali Chamenei erklärte das Volk zum Sieger der Wahl und die USA, Israel und "Feinde Irans" zu den Verlierern.

Mindestens vier Menschen wurden bei Straßenschlachten im Wahlkreis Iseh im Südwesten getötet, drei weitere verletzt. Enttäuschte Wähler griffen Regierungsangaben zufolge die Präfektur, das Rathaus, Gerichtsgebäude und Banken an und steckten Behördenfahrzeuge in Brand.

Sicherheitskräfte schossen auf die Demonstranten und setzten Tränengas ein. In Firusabad in der Provinz Fars erschossen Sicherheitskräfte nach Angaben eines Politikers mindestens drei Demonstranten, die Wahlbetrug anprangerten.

Nach einem Bericht der konservativen Zeitung Dscham e Dscham stand die Verteilung von 157 Mandaten am Sonntag fest: 108 davon gewannen demnach Konservative, 24 unabhängige Bewerber, die oftmals dem konservativ-religiösen Establishment nahe stehen, und lediglich 25 Mandate gingen an Reformkandidaten.

"Stärkung des Islam, Lösung der Probleme des Volkes"

Der religiöse Wächterrat teilte mit, nach dem Ausscheiden der meisten Reformer werde das Parlament eine Neuausrichtung vornehmen und sich "künftig auf die Stärkung des Islam, die Lösung der Probleme des Volkes und die Durchsetzung von Glaube und Moral im öffentlichen Leben konzentrieren".

Die Wahl sei ein "neues Kapitel in der Geschichte" des Landes, das neue Parlament werde sich "von religiöser Überzeugung leiten lassen".

Der Wächterrat hatte im Vorfeld mehr als 2300 Reformkandidaten ausgeschlossen.

Daraufhin zogen fast tausend weitere Reformpolitiker ihre Kandidatur zurück.

Aus Protest gegen den Ausschluss hatten außerdem Reformpolitiker zum Boykott der Abstimmung aufgerufen. Ein klarer Sieg der konservativen Kräfte war deshalb von vornherein erwartet worden.

Die Angaben zur Wahlbeteiligung veröffentlichte das Innenministerium auf seiner Internetseite. Von den 46,351 Millionen Wahlberechtigten gingen demnach 23,438 Millionen wählen.

Gradmesser der Zufriedenheit

Bei der ersten Parlamentswahl am 14. März 1980 erreichte die Wahlbeteiligung 52,14 Prozent. Im Jahr 2000 gingen noch 67 Prozent der Berechtigten zu den Urnen.

Die Wahlbeteiligung gilt als Gradmesser für die Unzufriedenheit der Wähler mit dem politischen System. Der Wächterrat und Chamenei hatten von einer "gewaltigen Beteiligung" gesprochen.

Mostafa Tadschsadeh, ein Führungsmitglied der größten Reformerpartei Islamisch-Iranische Beteiligungsfront, sagte: "Bei freien Wahlen hätten wir eine Mehrheit von 200 Sitzen gewonnen."

Tadschsadeh rechnete nach eigenen Angaben damit, dass Reformpolitiker 60 bis 100 der 290 Parlamentssitze gewannen.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: