Parlamentswahl:Rechtsruck in Österreich

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Die konservative ÖVP unter Sebastian Kurz überholt bei der Wahl die SPÖ. Auch die rechtspopulistische FPÖ legt stark zu.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Wien/München

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat nach der Nationalratswahl in Österreich am Sonntagabend erklärt, er werde der ÖVP und ihrem Spitzenkandidaten Sebastian Kurz den Auftrag erteilen, eine Regierung zu bilden. Laut letzter Hochrechnung erreichte die ÖVP mehr als 31 Prozent - ein Zuwachs von über sieben Prozentpunkten. Der Vorsprung fiel aber nicht so deutlich aus, wie von Meinungsforschern prognostiziert.

Kurz sprach von einem "starken Auftrag, das Land zu verändern". Er nehme "die Verantwortung mit großem Dank an". Der 31-Jährige legte sich jedoch noch nicht fest, mit welcher Partei er eine Koalition bilden will. Rechnerisch wäre sowohl eine Koalition aus ÖVP und FPÖ möglich, aber auch mit der SPÖ könnte die ÖVP erneut ein Bündnis eingehen. Parteiintern war zudem die Möglichkeit einer Minderheitsregierung diskutiert worden. Ausgeschlossen ist auch ein Bündnis von SPÖ und FPÖ nicht.

Die rechtspopulistische FPÖ legte mehr als fünf Prozentpunkte zu - auf 26 Prozent. Parteichef Heinz-Christian Strache sagte: "Die laufende Hetze gegen eine Partei, die Freiheitlichen, hat nicht funktioniert." Auf Koalitionsspekulationen wollte Strache sich nicht einlassen: Wenn, dann müsse sich das freiheitliche Programm in einem Regierungspakt wiederfinden.

Die SPÖ, die in Christian Kern seit mehr als einem Jahr den Bundeskanzler stellte, hatte in der ersten Hochrechnung kurz nach Schließung der Wahllokale um 17 Uhr lediglich auf Platz drei gelegen. Am späteren Abend schob sie sich auf Platz zwei vor und näherte sich dem Ergebnis von 2013, das bei 26,8 Prozent gelegen hatte. Der bisherige Bundeskanzler beteuerte am Wahlabend, zehn Jahre in der Politik bleiben zu wollen, neun habe er noch zu absolvieren. Ob die SPÖ bereit sei, mit der ÖVP oder gar mit der FPÖ eine Koalition zu bilden, ließ Kern offen: "Wir wollen Verantwortung übernehmen, in welcher Form, das wird sich weisen."

Die Neos, eine liberale Partei mit vielen ehemaligen ÖVP-Politikern und der früheren Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss, schafften wieder den Einzug ins Parlament und sogar einen geringen Stimmenzuwachs. Die Grünen und Peter Pilz mussten am Wahlabend zittern, ob sie den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde geschafft haben. Die Grünen hatten 2013 noch 12,4 Prozent erreicht, Pilz hatte sich von den Grünen abgespalten und konnte laut Hochrechnungen mehr Stimmen als seine bisherige Partei für sich verbuchen. Die grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek sprach von einem "Debakel".

6,4 Millionen Menschen waren wahlberechtigt, rund 16 Prozent hatten von der Möglichkeit, per Brief zu wählen, Gebrauch gemacht. Da ein Großteil dieser Stimmen erst am Montag und der Rest am Donnerstag ausgezählt wird, könnte sich das Ergebnis noch verändern. Bei früheren Wahlen hatten die Grünen unter Briefwählern vergleichsweise viele Stimmen erzielt.

Kurz hatte die Koalition aus SPÖ und ÖVP vor fünf Monaten vorzeitig aufgelöst, regulär wäre erst in einem Jahr gewählt worden. Insgesamt kandidierten 16 Parteien, zehn davon bundesweit. Die Wahlbeteiligung lag 2013 bei 74,9 und diesmal sogar über 79 Prozent. Die 41 TV-Duelle hatten zu Zuschauerrekorden geführt.

Im Wahlkampf war die Flüchtlingspolitik ein beherrschendes Thema gewesen. Kurz hatte Positionen der FPÖ übernommen, auch die SPÖ war in dieser Frage nach rechts gerückt. Vor allem FPÖ und ÖVP machten sich stark dafür, die Zuwendungen für Flüchtlinge zu kürzen. Alle großen Parteien versprachen Steuerentlastungen. In der Endphase hatte eine Affäre um den von der SPÖ engagierten Wahlhelfer Tal Silberstein aus Israel dominiert.

© SZ vom 16.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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