Paris:Chirac stichelt gegen Sarkozy

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Frankreichs Staatschef befindet sich im Umfragetief. Mit Attacken auf den Rivalen versucht der Präsident, sein Image zu verbessern.

Gerd Kröncke

Vor einem Forum von Lesern der Zeitung Le Parisien hat Jacques Chirac versucht, sein Image aufzuhellen. Der Staatspräsident beantwortete 50 Fragen von Bürgern aus dem Umland der französischen Hauptstadt.

Während der Unruhen im Herbst war er wegen seiner Passivität in die Kritik geraten. Zudem sind die Umfragewerte wenig ermutigend für ihn. Als ausgeschlossen gilt, dass er eine weitere Amtszeit anstreben könnte - was sich nur noch ein Prozent der Franzosen wünschen würde.

Stattdessen beschränkt sich Chirac auf den Versuch, die Chancen seines innerparteilichen Rivalen Nicolas Sarkozy auf die Nachfolge an der Spitze des Staates zu schmälern.

Kritik an Sarkozys Polemik

So wurde Chirac von einem 26-Jährigen nach seiner Position zu Sarkozys Äußerungen über Jugendliche der Banlieues gefragt. Ohne seinen Innenminister beim Namen zu nennen, kritisierte Chirac dessen Wortwahl ("Gesindel, Ganoven"). Gewiss, wer kriminell sei, sagte Chirac, anspielend auf Steinewerfer und Brandstifter, müsse als Krimineller bezeichnet werden. Andererseits sei "die Wahl der Worte in der Politik natürlich wesentlich".

Das war eine deutliche Kritik an Sarkozys Polemik, die Vorstädte mit dem Hochdruckreiniger ("Kärcher") säubern zu wollen. Dieses Zitat ist inzwischen in die Umgangssprache eingegangen. Bis hin zu dem Fußballstar Lilian Thuram hatten Angehörige ethnischer Minderheiten gegen solche Klassifizierung protestiert.

Auch Einlassungen des Präsidenten zum kolonialen Erbe konnten als Spitze gegen Sarkozy verstanden werden. Die Sklaverei, sagte Chirac, werde von vielen Landsleuten, besonders in den französischen Überseegebieten, noch immer "als persönliche Verletzung empfunden". So hatten die Bewohner der Départements Martinique und Guadeloupe aus Protest gegen das umstrittene Gesetz über die positive Rolle der Kolonialmacht Frankreich gegen den Besuch Sarkozys demonstriert. Sarkozy hatte seine Reise daraufhin abgesagt.

Anonyme Bewerbungen gegen die alltägliche Diskriminierung

Versöhnlich sprach sich Chirac für die Einführung eines "Tages der Erinnerung für die Nachkommen der Sklaven" aus. Er empfinde Genugtuung darüber, dass Frankreich als erstes Land die Sklaverei gesetzlich als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft habe.

Um im Alltag gegen Diskriminierung und Vorurteile anzugehen, griff Chirac den seit einiger Zeit diskutierten Vorschlag auf, Bewerbungen zu anonymisieren. Arbeitsuchende sollten sich bis zum Vorstellungsgespräch ohne Namen und Adresse präsentieren können. Es wurde bekannt, dass der Präsident in Kürze Clichy-sous-Bois aufsuchen will. Dort hatten im Oktober die Unruhen begonnen, die das Land drei Wochen in Atem hielten.

© SZ vom 14.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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