Papst Benedikt:Baba und die verpassten Pannen

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Papst Benedikt will in Jordanien alles richtig machen - die Strapazen der Reise sind dem 82-Jährigen schon jetzt anzusehen.

Stefan Ulrich, Amman

Für kurze Zeit sah es am Samstag so aus, als sollte die Morgenland-Reise von Benedikt XVI. mit dem beginnen, was er unbedingt vermeiden wollte - mit einem Fehltritt. Blitzschnell sprach es sich unter den arabischen Beobachtern herum: Der Papst läuft mit Schuhen durch die Moschee. Dabei gebieten es Tradition, Respekt und Reinheit, die Schuhe abzustellen, bevor man ein islamisches Gotteshaus betritt.

Benedikt XVI. auf dem Berg Nebo. (Foto: Foto: Reuters)

War dies bereits der gefürchtete Fauxpas des Pontifex, der seine ganze Friedensreise ins Heilige Land überschatten könnte? Padre Federico Lombardi, sein Sprecher, konnte Entwarnung geben. Benedikt habe sehr wohl die Schuhe vor der El-Hussein-bin-Talal-Moschee in Amman ausziehen wollen. Aber das Protokoll habe das nicht gestattet.

Vielmehr seien Läufer durch die Moschee gelegt worden, über die Benedikt mit seinen roten Zeremonienschuhen schreiten konnte. Das sei eine "Geste des guten Willens", sagte Prinz Ghasi bin Mohammed bin Talal, der Cousin und Berater von König Abdullah II., ein Zeichen des "Respekts zwischen Muslimen und Christen".

Der Vorfall ist typisch für die Herzlichkeit, mit der die Jordanier und ihr haschemitisches Herrscherhaus den Kirchenführer aus Rom bei sich aufnahmen. Ein wenig einschüchternd wirkte allenfalls der Empfang am Freitag, als die Papstmaschine von zwei Jagdbombern so dicht begleitet wurde, dass Benedikt in die Gesichter der Piloten blicken konnte.

In dem Begrüßungszelt auf dem Flugplatz von Amman versicherte König Abdullah dann, Jordanien wolle den Dialog zwischen den Religionen vorantreiben. "Unser Haus ist auch Ihr Haus."

Der Islam wird oft missverstanden - aber auch der Pontifex

Benedikt begann die Reise durchs Heilige Land mit Beteuerungen seines guten Willens. Nach seiner Regensburger Rede vor knapp drei Jahren und den Verwerfungen, die ein von ihm gebrauchtes islamfeindliches Zitat auslöste, wollte er jetzt allen Ballast beiseite räumen und den Muslimen demonstrieren: Ich komme nicht als Kreuzzügler, sondern als sanfter, bescheidener Pilger.

Noch auf dem Flughafen beteuerte er seinen "besonderen Respekt vor der muslimischen Gemeinschaft" und lobte Jordanien als Kraft des Friedens.

Zum Höhepunkt in Amman wurde sein Besuch in der El-Hussein-bin-Talal-Moschee. Das Gotteshaus liegt auf einem Hügel über der Hauptstadt und wirkt mit seinen Mauern und Ecktürmen fast wie eine päpstliche Trutzburg in Mittelitalien. Die Höfe aber sind licht und heiter, mit ihren Ahornbäumen und Pilastern aus weißgelbem Kalkstein.

Während der Papst in der Moschee vor dem Mihrab, der Gebetsnische, verweilt, haben sich in einem der Höfe Bischöfe und Patriarchen eingefunden. Auch der Patriarch von Bagdad ist gekommen. Neben den Hirten sitzen muslimische Geistliche mit hohen Turbanen, Islamgelehrte, Diplomaten. Die Sonne schimmert durch die Segel aus Tuch hindurch, Amseln zwitschern, Muslime und Christen finden ins Gespräch. So friedlich kann es zugehen im Nahen Osten.

Auch Dr. Omar, wie er sich vorstellt, wartet im Hof, ein Beamter des Religionsministeriums. Warum er gekommen ist? "Wegen Baba", antwortet er. Baba, so nennen sie auf Arabisch den Papst. Was er sich von ihm erwartet? "Er soll davon sprechen, dass wir keine Feinde, sondern Freunde sind. Allah ist für uns alle da."

Eine Reihe hinter ihm sitzt Jereis Swies, der Bürgermeister von Fuheis, einer von Christen bewohnten Stadt bei Amman. "Der Islam wird oft missverstanden", sagt Swies. "In Jordanien leben wir gut zusammen." Aber auch der Papst werde missverstanden in der islamischen Welt. "Es ist Zeit, dass die Muslime ein anderes Bild von ihm erhalten."

Mittlerweile hat Benedikt auf einem Sesselchen Platz genommen. Bevor er spricht, kommt Bin Talal zu Wort. Der Prinz aus der Haschemiten-Familie, die sich als Verwandte des Propheten verstehen, hat nach der Regensburger Rede den Dialog muslimischer Gelehrter mit dem Vatikan eingeleitet. Nun begrüßt er den Papst auf Lateinisch mit "Pax Vobiscum".

Der Prinz spricht Regensburg an, doch er bedankt sich zugleich bei Benedikt, weil er den Schmerz der Muslime bedauert habe. Dann preist er den Papst, er sei vom "Mut geprägt, nach seinem Gewissen zu sprechen und zu handeln, egal, ob das den Moden des Tages entspricht". Solches Lob tut gut nach den Wochen, in denen Benedikt viel gescholten wurde.

Der Papst könnte jetzt den Prinzen auf Arabisch mit "Salam aleikum" begrüßen und die Herzen seiner Gastgeber im Sturm nehmen. Doch zu dieser Geste wird er erst am Sonntag bei der Messe im Stadion finden. In der Moschee warnt Benedikt, die Menschen dürften sich nicht einreden lassen, Religion sei etwas Trennendes.

Muslime und Christen sollten sich wehren, wenn ihr Glaube politisch missbraucht werde. Während der Papst spricht, ruft der Muezzin zum Gebet. Die islamischen Würdenträger applaudieren dem Pontifex. Das alles verheißt mehr als nur friedliche Koexistenz - an diesem Frühlingstag in Amman.

Die Orientreise lässt sich gut an für den Papst. Doch die Anstrengungen sind dem 82-jährigen Pilger anzusehen. Er wirkt müde, beim Verlassen des Hofes geht er gebeugter als sonst. Die Affäre um den reaktionären Bischof Williamson und die Afrikareise vor wenigen Wochen haben ihm zugesetzt; und sein Programm im Nahen Osten wäre selbst für einen jungen Mann zu voll. Mehr als zwei Dutzend Reden und Predigten hat der Papst zu halten, unzählige Besuche bei Religionsführern, Politikern, karitativen Einrichtungen und an biblischen Stätten abzuhalten.

Und dann sind da noch die Massenmessen. Schließlich will Benedikt die Christen im Nahen Osten zum Bleiben ermutigen. Als er am Sonntag mit seinem Papamobil im Stadion von Amman vorfährt, jubeln 30.000 Menschen. Der Wind lässt jordanische und vatikanische Fahnen durch die Luft fliegen. Poster zeigen Benedikt und den jordanischen König im Zwiegespräch. Während der Papst Richtung Altar fährt, singen Chöre: "Benedetto! Benvenuto! In Giordania!" Menschen stehen auf und brüllen: "Viva il Papa!" Was für eine Szene in einem arabischen Land.

Die nächste Etappe führt den Papst nach Israel und in die Palästinensergebiete, hinein ins Herz des zerstrittenen heiligen Landes. Aus der Ferne konnte er am Wochenende schon Ausschau halten. Er kam als Pilger zum Berg Nebo, einem zugigen Höhenrücken über Jordantal und Totem Meer. Hier soll Gott Moses das gelobte Land gezeigt haben, hier steht Benedikt und blickt über wüste Felshänge zu den Oasen von Jericho hinab.

Bei guter Sicht könnte er Jerusalem und Bethlehem ausmachen. Doch an diesem Tag verhüllt Dunst, was ihn dort erwartet. Der Papst richtet eine Botschaft an die Juden. Ein "unzertrennbares Band" verknüpfe seine Kirche mit ihnen. Es gelte, "Hindernisse auf dem Weg der Versöhnung zwischen Christen und Juden zu überwinden".

Am Abend, der Papst ist wieder in Amman, sitzt Pater Hartwig in seiner braunen Kutte unter einer Pinie. Er gehört zu den Franziskanern, die das Moses-Heiligtum bewachen. Er sagt, in Jordanien sei Benedikt als Diplomat aufgetreten. "Aber da drüben" - er deutet Richtung Israel - "muss er klare Worte finden. Da darf er nicht nur diplomatisch sein."

Benedikt müsse das Schicksal der Palästinenser ansprechen, deren Menschenwürde von der israelischen Regierung missachtet werden. Wie Vieh würden die Araber teilweise behandelt, wenn sie durch die Kontrollstellen zur Arbeit gingen. Der Pontifex solle über Brücken reden, und über die Mauer, die die Palästinenser aussperre.

Ob Benedikt, ein Papst mit deutscher Vergangenheit, so klar sprechen wird? Die Erwartungen beider Seiten sind groß. Fehltritte sind schnell begangen im Land zu Füßen des Berges Nebo. Jordanien war ein harmonischer Auftakt. Nun beginnt der harte Teil der Reise für den Papst.

© Süddeutsche Zeitung vom 11.5.09/gdo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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