Palin gibt erstes TV-Interview:"In welcher Hinsicht, Charlie?"

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In ihrem ersten TV-Interview als Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten hat Sarah Palin versucht, ihre außenpolitischen Fähigkeiten zu zeigen. Die "Bush-Doktrin" kannte sie allerdings nicht.

In ihrem ersten großen Interview seit ihrer Nominierung zur republikanischen Vizepräsidentschaftskandidatin hat Sarah Palin ihre Qualifikation für das Amt verteidigt. Palin sagte dem Fernsehsender ABC, sie sei bereit, das Präsidentenamt zu übernehmen sollte John McCain nach einem Einzug ins Weiße Haus etwas zustoßen.

Sarah Palin hat ihr erstes TV-Interview seit der Nominierung gegeben (Foto: Foto: AFP)

Im Gespräch mit ABC verteidigte Palin McCains Forderung nach einem Nato-Beitritt Georgiens - und schloss einen Krieg gegen Russland nicht aus: Als ABC News Korrespondent Charles Gibson fragte, ob dies bei einer militärischen Invasion Moskaus in einem Nato-Land Georgien Krieg mit Russland bedeuten würde, antwortete sie: "Vielleicht".

Das ABC-Interview erinnerte ein wenig an eine Prüfungssituation. Tagelang hatte ein Reigen hochkarätiger Experten die junge Alaska-Gouverneurin Palin vorbereitet, die die Herzen vieler Wähler im Sturm gewann, politisch aber wenig Erfahrung hat. Für das Wahlvolk in den USA war es die erste Gelegenheit Palins Vorstellungen kennenzulernen. Anders als in ihren kecken Reden ließ sie in dem Interview Unsicherheiten erkennen, vermied aber einen Fauxpas, wie ihn sich die verunsicherten Demokraten um Barack Obama erhofft haben mögen.

Körperhaltung und schnelles Sprechtempo verrieten Anspannung, als sie der ABC-Moderator zum Gespräch empfing. Ein wenig ins Schleudern kam sie, als Gibson sie nach ihrer Unterstützung für die "Bush-Doktrin" fragte. "In welcher Hinsicht, Charlie?", entgegnete sie. Sie schien nicht zu wissen, was mit der Doktrin gemeint war. Gibson klärte auf, dass diese Doktrin das Recht zu präventiven Angriffen der USA auf andere Länder meine. Palin reagierte mit Kritik an der Planung des Irak-Einsatzes durch den republikanischen Präsidenten George W. Bush: "Da gab es Pfusch, und es gab Fehler", sagte sie - und dürfte damit die Stimmung der kriegsmüden Öffentlichkeit getroffen haben.

"Wirbelsturm aus Worten"

Auf Gibsons Frage, ob sie militärische Anti-Terror-Einsätze beim Verbündeten Pakistan befürworte, wich sie mehrfach aus. "Ich gehe hier in einem Wirbelsturm aus Worten verloren", beschwerte sich Gibson. "Wir müssen uns alle Optionen offenhalten", schob Palin nach.

Für das Vize- und das Präsidentenamt halte sie sich auf jeden Fall befähigt, stellte Palin klar. Als McCain ihr die Kandidatur anbot, "habe ich Ja gesagt, ohne mit der Wimper zu zucken". Sie habe Vertrauen darauf, dass sie vorbereitet sei.

Dennoch zeigten sich Unsicherheiten bei der sonst so selbstbewussten Gouverneurin. Das Interview mit dem ABC-Moderator konzentrierte sich auf die Außen- und Sicherheitspolitik. Palin erklärte, sie habe Erfahrung darin, das Land unabhängig von ausländischen Energielieferungen zu machen. Schließlich sei sie Vorsitzende der Kommission für Öl und Gas in Alaska gewesen. Nationale Sicherheit umfasse zwar mehr als Energiefragen, aber die Energiesicherheit sei eine Grundlage der nationalen Sicherheit.

Palin räumte aber ein, bis auf einen Besuch bei amerikanischen Soldaten in Kuwait und Deutschland im vergangenen Jahr sei sie bisher nur in Mexiko und Kanada gewesen. Sie habe auch noch nie einen ausländischen Staatschef getroffen, "aber wenn Sie zurück in die Geschichte gehen und diese Frage vielen Vizepräsidenten stellen würden, hätten die vielleicht genau das gleiche geantwortet". Auf die Frage, welche Einblicke sie in Alaska in die Politik der russischen Regierung gewonnen habe, sagte sie: "Sie sind unser direkter Nachbar und man kann Russland sogar von einer Insel in Alaska sehen."

Erneut die Schau gestohlen

Den Demokraten dürfte Palin mit dem Interview erneut die Schau gestohlen haben. "Sarah Palin hat ganz offensichtlich die Wirkung erzielt, die John McCain durch ihre Nominierung erhofft hatte", urteilt der Demoskop Peter Brown vom Umfrageinstitut der Universität Quinnipiac in New York. Seit ihrer Nominierung haben Meinungsforscher ungewöhnlich starke Umschichtungen in der Wählergunst entdeckt.

Mit Palin machen die Republikaner den Demokraten ihre weibliche Stammwählerschaft streitig, und auch Obamas erfolgreiches Wahlmotto von Wandel und Neubeginn hat McCains Kampagne inzwischen übernommen, verkörpert durch Palin frisches Auftreten.

Obama hat bislang noch nicht herausgefunden, wie er die Power-Frau entzaubern kann, ohne als politischer Macho dazustehen. "Das ist mehr als einfach nur zunehmende Angst", beschreibt Bill Clintons früherer Chef-Demoskop Doug Schoen im Internetmagazin "Politico" die Stimmung in der Partei. "Es ist greifbare Frustration und tief sitzendes Unbehagen darüber, dass sie die Initiative verloren haben." Ein namentlich nicht genannter Großspender der Demokraten wird zitiert mit den Worten: "Ich bin so deprimiert, es ist ein Albtraum."

© sueddeutsche.de/AFP/jtr/agl/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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