Jetzt also Paintball. Eine Sportart, die laut der deutschen Paintball-Liga von 15.000 bis 20.000 Menschen ausgeübt wird, soll gesetzlich verboten werden. Darauf haben sich die Innenexperten von Union und SPD geeinigt. Die Forderung nach dem Verbot ist eine Konsequenz aus dem Amoklauf von Winnenden.
Tatsächlich ist Paintball eine Sportart, über deren Ästhetik man geteilter Meinung sein kann. Die Spieler benutzen waffenähnliche Sportgeräte, sogenannte Markierer, mit denen sie sich auf einem Spielfeld gegenseitig abschießen. Mitspieler nennen diesen Vorgang "markieren". Als Munition werden mit Lebensmittelfarbe gefüllte Gelatinekugeln verwendet. Wer getroffen wird, scheidet aus. Bis zur nächsten Runde.
"Beim Paintball wird das Töten simuliert", begründet der Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach seine Lust aufs Verbieten. Verstöße gegen das Verbot sollen mit einem Bußgeld bis zu 5000 Euro geahndet werden.
Eine Sportart zu verbieten und dies mit einem Amoklauf zu rechtfertigen, spricht für sich. Der Vorstoß zeigt, wie hilflos Politiker der Tragödie von Winnenden gegenüberstehen.
Aber der Druck auf die überforderten Entscheider, sich der stets präsenten Gefahr eines neuen Amoklaufes zu stellen, steigt. Insbesondere im Wahlkampf.
Doch für einen Amoklauf wie in Winnenden gibt es keine einfachen Erklärungen. Weil man in Berlin aber das Gefühl hat, dass trotzdem etwas geschehen muss, werden andere Zielscheiben gesucht.
Im Gegensatz zu den Schüssen der Paintballspieler sind die Vorstöße von Politikern - siehe Bosbach - allerdings schlecht gezielt. Sie knallen nur weithin hörbar in der Wahlkampfzeit. Weil dieser Effekt gewünscht ist, wird in der großen Koalition derzeit wild drauflosgeballert.
Mal zielen die Koalitionäre auf Schützenvereine (abschaffen!), dann auf Computerspiele (zensieren!), dann auf das Internet (sperren!). Gerne aber auch auf Rockstars wie Marilyn Manson (verteufeln!). Und jetzt eben auf Paintball.
Die Expertenkommission, die in Baden-Württemberg nach dem Amoklauf von Winnenden eingesetzt wurde, besteht aus einem Oberbürgermeister, einem Richter, einem Regierungspräsidenten im Ruhestand und dem Präsidenten der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg. Keiner von ihnen dürfte jener Welt, in der potentielle jugendliche Täter leben, nahestehen. Keiner der Experten weiß offenbar, wovon er redet.
Wesentlich vielversprechender, als je nach Laune Hobbys aus dem Umfeld von Amokläufern als Grund oder Auslöser für deren Taten zu sehen, wäre eine intensive Beschäftigung mit der Lebensrealität Jugendlicher. Es wäre eine Herausforderung, Schulen zu einem Ort für jeden Schüler zu machen - Mobbing und Ausgrenzungen also zu verhindern.
Aber dieses Vorgehen ist weder so einfach, noch so öffentlichkeitswirksam wie die prominente Forderung nach immer mehr Verboten.
Bleibt die Frage, wie die Opfer der aktionistischen Gesetzesvorstöße die Angriffe von Bosbach und Konsorten überwinden. Den Herstellern und Besitzern von scharfen Waffen gelingt es bislang relativ gut, den Attacken aus der Politik auszuweichen. Härter kämpfen müssen Computerspieler, die immer wieder beteuern, keine zukünftigen Mörder zu sein. Ihr Glück ist, dass der Computerspiel-Markt groß und reich an Umsatz ist.
Wie stark sich eine zwar wachsende, jedoch noch immer relativ kleine Gemeinde von Paintball-Sportlern zur Wehr setzen kann, bleibt abzuwarten.
Man sollte nicht vergessen, dass auch für Menschen, die - durchaus geschmacklos - im Wald gerne Krieg spielen, in diesem Land die Unschuldsvermutung zu gelten hat. Genau wie für die Träger von langen schwarzen Mänteln, für Computerspieler und für Freunde der Musik von Marilyn Manson.