Otto Schily wird 80:Konsequent zwischen Grün und Rot

RAF-Sympathisant, grüner Realo, roter Sheriff, schöngeistiger Großbürger: Otto Schily hat in seinem Leben eine Vielzahl unterschiedlicher Rollen eingenommen - und in vielen polarisiert. Seine Entwicklung vom linken Anwalt zum rigiden Innenminister machte ihn zu einer markanten, aber auch umstrittenen Persönlichkeit innerhalb der deutschen Politik.

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RAF-Sympathisant, grüner Realo, roter Sheriff: Otto Schily hat in seinem Leben eine Vielzahl unterschiedlicher Rollen eingenommen - und in vielen polarisiert. Seine Entwicklung vom linken Anwalt zum rigiden Innenminister und sein großbürgerlicher Habitus machten ihn zu einer markanten, aber auch sehr umstrittenen Persönlichkeit innerhalb der deutschen Politik. An diesem Freitag wird er 80 Jahre alt.

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Schily wird am 20. Juli 1932 in Bochum geboren. Der studierte Jurist und Politikwissenschaftler engagiert sich schon früh politisch und steht dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). In den späten sechziger und den siebziger Jahren macht Schily eine eine breite Öffentlichkeit auf sich aufmerksam - durch die Vertretung der Nebenklage im Prozess um den Mord an dem Studenten Benno Ohnsorg sowie durch eine Reihe spektakulärer Strafverteidigungen.  Im Bild: Die Anwälte der Baader-Meinhof-Gruppe, (von links) Klaus Croissant, Otto Schily und Hans Heinz Heldmann, bei einer Pressekonferenz im Jahr 1976.

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Mehrfach vertritt Schily RAF-Terroristen vor Gericht, so auch Gudrun Ensslin. "Alle diese Menschen hätten einen wichtigen Beitrag leisten können für die Gesellschaft", äußert sich Schily Jahrzehnte später in der Dokumentation "Die Anwälte" bedauernd im Hinblick auf die gesellschaftlichen Fehlentwicklungen, die zur Radikalisierung der RAF-Mitglieder geführt haben. Im Bild: Die RAF-Mitglieder Thorwald Proll, Horst Söhnlein, Andreas Baader und Gudrun Ensslin (von links) bei einem Gerichtsverfahren 1968.

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In den Strafprozessen setzt sich Otto Schily nachdrücklich für seine Mandanten aus der Terroristenszene ein. Das trägt ihm rüde Schmähungen als RAF-Sympathisant und sogar Morddrohungen ein - aber auch Anerkennung von manchmal unerwarteter Seite: Zeitungsverleger Axel Springer (vorne), der im Prozess gegen RAF-Terrorist Horst Mahler (dahinter) 1970 in Berlin als Zeuge von Schily (rechts) befragt wird, zeigt sich beeindruckt: "Der Mann ist großartig. Schade, dass er auf der anderen Seite steht."

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1980 ist Schily Mitbegründer der Partei Die Grünen. Drei Jahre später zieht der ehemalige Waldorf-Schüler - im Alter von fast 50 Jahren - in den Bundestag ein und ist somit Teil der ersten Grünen-Bundestagsfraktion. Optisch distanziert er sich von vielen Pullover-tragenden Fraktionskollegen von Beginn an: Schily tritt im Bundestag ausschließlich im Anzug auf. Als redegewandter Fraktionssprecher empfiehlt er seiner Partei, mit der "geborenen Koalitionspartei" SPD zu kooperieren.

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Zusammen mit seinem späteren Kabinettskollegen Joschka Fischer, für den er im hessischen Landtag als Berater tätig ist, schart Schily den Kreis der "Realos" in der Grünen-Partei um sich. Ende der 80er Jahre nehmen die Flügelkämpfe mit den "Fundis" immer mehr zu. Schily entfremdet sich zunehmend von der Partei und zieht die Konsequenzen: 1989 wechselt er zur SPD. Im Bild: Schily und Fischer sitzen im Jahr 2000 gemeinsam im Bundestag auf der Regierungsbank.

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Nach neun Jahren in der SPD wird Otto Schily in der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder 1998 Bundesinnenminister. Politische Freunde nennen den nach eigenen Angaben "politischen Spätentwickler", der bereits als Grünen-Mitglied für die Innen- und Rechtspolitik zuständig war, bald einen "liberalen Reformer". Zu einer seiner größten Herausforderungen zählt das Krisenmanagement nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 in New York und Washington. Mit scharfem Tempo setzt Schily noch im selben Jahr zwei Anti-Terror-Gesetze durch, die einige Medien als "Tabubruch bei der inneren Sicherheit" werten.

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Wegen seiner umstrittenen und rigiden Innenpolitik nennen ihn Kritiker "Polizeiminister". Mit dem Ausspruch "Das Boot ist voll" äußert Schily kurz nach seinem Amtsantritt als Innenminister Bedenken, dass im Zuge der Zuwanderung von Ausländern die Grenze der Belastbarkeit in Deutschland überschritten sei. Im Bild: Otto Schily wird im Jahr 2006 zum Ehrenkommisar der Bayerischen Polizei ernannt.

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Im Oktober 2005 verteidigt der Innenminister vehement eine Durchsuchung der Redaktion der Zeitschrift Cicero und entfacht damit eine heftige Debatte über seinen Umgang mit der Pressefreiheit. Die Medien titulieren Schily, der seine Kritiker mit "ein paar Hanseln" abqualifiziert, als "roten Sheriff" und stärken damit seinen Ruf als besonders harter Innenminister.

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Eine Niederlage muss Innenminister Otto Schily im Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NDP im Januar 2002 hinnehmen. Die Karlsruher Verfassungsrichter hatten das Bundesinnenministerium darüber informiert, dass einer der wichtigsten Zeugen im Verfahren, ein langjähriges Mitglied im NPD-Bundesvorstand, als V-Mann für den Verfassungsschutz tätig war. Schily räumt Versäumnisse ein, lässt es aber bei einer Rüge gegen die betroffenen Mitarbeiter bewenden. Die NPD-Affäre ist eine von vielen innenpolitischen Problemen, die die rot-grüne Regierung und der Innenminister im Bundestagswahljahr 2002 verkraften müssen.

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Am Ende seiner politischen Laufbahn gerät Otto Schily noch einmal in die Kritik. Der 76-Jährige, der nach 18 Jahren seinen Wahlkreis München-Land aufgibt, hatte sich geweigert, seine Nebeneinkünfte als Anwalt offenzulegen. Der Ältestenrat des Bundestages verhängt im April 2008 ein Bußgeld von 20.017 Euro. Bereits Wochen zuvor kündigte Schily an, dagegen zu klagen. Wenn es sein muss, vor dem Bundesverfassungsgericht.

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Nach der Niederlage der rot-grünen Koalition bei den Bundestagswahlen 2005 muss Schily das Amt des Innenministers abgeben. Fortan ist er im Auswärtigen Ausschuss tätig. 2009 zieht er sich ganz aus der Politik zurück - nach mehr als 30 Jahren politischen Wirkens und 25 Jahren im Bundestag. Zeitgleich gehen zwei weitere altgediehnte SPD-Politiker: der damalige Fraktionschef Peter Struck (Mitte) und der bayerische SPD-Vorsitzende Ludwig Stiegler.

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Schily stammt aus großbürgerlichen Verhältnissen. Der Vater war promovierter Hüttendirektor, die Mutter Musikerin. Sein Verhältnis zur Musik beschreibt Schily mit klaren Worten: "Wer Musikschulen schließt, gefährdet die Innere Sicherheit." Im Bild: Otto Schily dirigiert am 05.10.2005 im Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin während der Aufzeichnung der ZDF-Show Alles Klassik - Klassik für alle die Musiker der "Philharmonie der Nationen".

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Linker Anwalt, grüner Realo, beinharter Innenminister: Otto Schily hat in seinem Leben viele Rollen gespielt, in der Sache ist er jedoch immer konsequent geblieben. Pochen auf gültiges Recht und die Stärkung des Rechtsstaats sind Dinge, denen er immer verbunden war. Seine persönliche Wandlung hat Schily selbst in einem knappen Zitat zusammengefasst: "Nur Idioten ändern sich nicht."

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